Gewalt in der Partnerschaft
Die polizeilich registrierten Fallzahlen nehmen zu
Opfer trauen sich oft nicht, ihren gewalttätigen Partner anzuzeigen
© Tiko, Adobe Stock
Zwei Jahre lang wurde Angelika von Jörg, der eigentlich anders heißt, kontrolliert und gedemütigt. Erst dann schaffte sie es, ihre Sachen zu packen und ihren gewalttätigen Partner zu verlassen. Die heute 52-Jährige ist kein Einzelfall. Wie das BundeslagebildHäusliche Gewalt zeigt, nimmt die Partnerschaftsgewalt in Deutschland zu.
Jeder kann zum Opfer werden
Im Jahr 2022 registrierte die Polizei 240.547 Opfer Häuslicher Gewalt. Im Vorjahr waren es 221.615 Opfer gewesen. Die Zahl der registrierten Opfer stieg also um 8,5 Prozent. 65,6 Prozent dieser Menschen waren von Partnerschaftsgewalt betroffen, 34,4 Prozent von innerfamiliärer Gewalt.
Beim Thema Partnerschaftsgewalt ist häufig von weiblichen Opfern die Rede. Wie die Kriminalstatistische Auswertung verdeutlicht, sind Frauen mit etwa 71 Prozent überwiegend die Leidtragenden. Dennoch sind auch Männer betroffen. Von den im Jahr 2022 erfassten Opfern waren etwa 69.471 männlich. Die körperliche Überlegenheit eines Partners ist also keine Voraussetzung für Gewalt in Partnerschaften. Auch stimmt es nicht, dass Partnerschaftsgewalt nur in unteren sozialen Schichten vorkommt. Sie ist vom Bildungsstatus beziehungsweise von der sozialen oder kulturellen Herkunft der Personen unabhängig. Vielmehr geht es um Macht in Beziehungen in Verbindung mit einem Mangel an individueller Impulskontrolle durch den Täter oder die Täterin.
Delikte und Beziehungsstatus
In den meisten Fällen der Partnerschaftsgewalt mussten die Opfer einfache Körperverletzungsdelikte erdulden (59,3 Prozent), gefolgt von Bedrohungen, Stalking und Nötigung (24,4 Prozent). In 11,7 Prozent der Fälle handelte es sich um gefährliche, schwere Körperverletzung. 8.525 Menschen wurden zum Opfer von Stalking durch den Partner und 2.567 zum Opfer von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Betrachtet man die Beziehung der Opfer zu den Tatverdächtigen, wurde die Gewalt überwiegend durch einen ehemaligen Partner ausgeübt (39,5 Prozent). In 31,1 Prozent der Fälle war der Tatverdächtige der Ehepartner und in 29,1 Prozent der Freund oder die Freundin.
Tatverdächtige im Fokus
2022 wurden 129.332 Tatverdächtige polizeilich registriert, die Gewalt gegen den Partner ausüben wollten oder ausgeübt haben. Davon waren rund 78 Prozent männlich und 21 Prozent weiblich. Etwa ein Viertel der Tatverdächtigen stand zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss. Am häufigsten wurden mit einem Anteil von 35,8 Prozent Tatverdächtige im Alter zwischen 30 und unter 40 Jahren (44.166) erfasst, gefolgt von den 40- bis unter 50-Jährigen mit 23,5 Prozent (29.042).
Wer schlägt, muss gehen
Wie im Fall der 52-jährigen Angelika lebten im Jahr 2022 exakt 129.643 Opfer mit dem oder der Tatverdächtigen zusammen. Dadurch wird der Alltag zum Spießroutenlauf. Dem Wunsch, den Partner zu verlassen, ist eine deutliche Hürde gesetzt, denn durch den gemeinsamen Haushalt ist man oft sozial und finanziell voneinander abhängig. Viele Opfer fürchten die Unsicherheit neuer Lebensumstände. Um sie besser zu schützen, wurde das Gewaltschutzgesetz verabschiedet. Es ermöglicht den Betroffenen, die gemeinsame Wohnung zu nutzen, ohne sie mit der gewalttätigen Person teilen zu müssen, nach dem Motto: Wer schlägt, muss gehen. Eine solche Entscheidung wird auf Antrag des Opfers von einem Familiengericht getroffen.
Opfer suchen Schuld bei sich
Es gibt viele Gründe, weshalb die Opfer ihr Martyrium zum Teil über Jahre erdulden. „Oft schweigen sie aus Angst oder Scham. Sie schweigen, weil die Täter ihnen nahestehen, sie unter Druck setzen, sie manipulieren oder ihnen einreden, sie selbst seien schuld an der Situation“, sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin der Opferhilfeorganisation „Weißer Ring“. Täter schafften es, ihre Opfer völlig zu isolieren und schließlich die einzige Bezugsperson zu sein. „Die Situation wird für die Opfer dann immer unerträglicher“, so Biwer. „Häusliche Gewalt bricht Persönlichkeiten und frisst die Seele auf.“ Darüber hinaus gelte das Sprechen über häusliche Gewalt noch immer als Tabu. Niemand gebe gern zu, dass die heile Welt der Familie gar nicht so heil ist wie sie scheine, erklärt die Bundesgeschäftsführerin. „Wir wünschen uns, dass Opfer häuslicher Gewalt konkret dabei ermutigt werden, sich aus der vermeintlich ausweglosen Spirale zu befreien, indem sie sich öffnen und sich die Hilfe holen, die sie so dringend brauchen.“
Hilfe für Betroffene
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rät Opfern von Partnerschaftsgewalt, sich möglichst kurzfristig nach der Tat bei der Polizei zu melden. Spuren einer Vergewaltigung und andere körperliche Verletzungen werden dann durch die Rechtsmedizin oder einen Arzt gesichert. Grundsätzlich ist immer zu empfehlen, bei jedem Angriff den Zeitpunkt und die Art der Gewaltausübung zu notieren und sichtbare Verletzungen zu dokumentieren, beispielsweise durch ein Foto. Solche Informationen untermauern in straf- und zivilrechtlichen Verfahren die eigene Glaubwürdigkeit.
Für den Fall, dass Kinder vor dem gewalttätigen Partner geschützt werden müssen, sollten sich Opfer an das Jugendamt wenden. Opfer können zudem juristische und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Organisationen wie der „Weiße Ring“ beraten anonym und stellen Kontakt zu den entsprechenden Institutionen her.
WL (29.05.2023)
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