Zivilcourage – eine nötige Tugend
Mut, Zivilcourage, ziviler Ungehorsam
Genauso wie sich die Begriffe „Zivilcourage“ und „Mut“ unterscheiden, gibt es auch wesentliche Unterschiede zum Begriff „Ziviler Ungehorsam“: Darunter versteht man passiven Widerstand gegen die Polizei bei Großdemonstrationen, beispielweise im Umfeld der Castor-Transporte abgebrannter Brennelemente aus Atomkraftwerken. Mag der gewaltfreie Widerstand sich auch auf höchst ehrenwerte Vorbilder wie z. B. Mahatma Gandhi und seinen Kampf um die Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialmacht berufen – der Staat kann nicht anders, als diesen „zivilen Ungehorsam“ zu beugen. Er besitzt das Gewaltmonopol, er muss sich an seine eigenen Gesetze halten und diese auch mit aufwändigen Polizeieinsätzen durchsetzen. „Zivilcourage“ dagegen ist polizeilich und juristisch sehr erwünscht. Wer nur gafft und nicht hilft, macht sich sogar wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar.
Unterlassene Hilfeleistung, Selbstjustiz
Empathie (d.h. „Einfühlungsvermögen“) wird laut Änne Ostermann von der „Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung“ durch drei Aspekte gekennzeichnet:
- die Fähigkeit, die Gefühle eines anderen zu verstehen;
- die Fähigkeit, die Perspektive und Rolle einer anderen Person zu übernehmen;
- die Bereitschaft, auf diese Situation des anderen emotional zu reagieren.
Ebenso strafbar ist es, wenn jemand unter dem Deckmantel von Zivilcourage falsche Anschuldigungen erhebt, beispielsweise in Unternehmen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen. Denunziation ist kein Kavaliersdelikt und kann Karrieren ruinieren.
Zivilcourage darf auch nicht die Grenze zur Selbstjustiz überschreiten. Oft ist es vollkommen ausreichend, die Polizei zu verständigen. Das Gewaltmonopol ist und bleibt beim Staat. Wer Täter selbst zur Verantwortung zieht, verstößt damit gegen die Ideale der Demokratie und Humanität, für die er aktiv geworden ist. Wie schnell hier Grenzen überschritten werden können, zeigte der kontrovers diskutierte ARD-Spielfilm „Zivilcourage“ aus dem Jahr 2010, in dem Götz George einen Buchhändler in Berlin-Kreuzberg spielt: Er wird Zeuge, wie ein bosnischer Jugendlicher aus seinem Umfeld einen Obdachlosen ins Koma prügelt und erstattet daraufhin Anzeige. Doch der jugendliche Täter wird vom Gericht auf freien Fuß gesetzt und dessen Bruder will den Buchhändler sogar zwingen, die Anzeige zurückzunehmen. Zur Warnung bricht er ihm zwei Finger. Die Polizei hilft dem Buchhändler zunächst nicht weiter und verweist auf die vielen unbearbeiteten Fälle von Jugendkriminalität, die mit Vorrang abgearbeitet werden müssten. Der Buchhändler aber kauft sich einen Revolver. Damit hält er am Ende die Täter in Schach, um sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Ist das Selbstjustiz? Oder noch Zivilcourage? Würde der Buchhändler im realen Leben ebenso verantwortungsvoll mit der Schusswaffe umgehen wie Götz George im Film? Wer kann das schon vorhersagen. – Der Film erhielt 2011 den angesehenen CIVIS-Medienpreis für Integration.
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