„Was hast du denn für blöde Klamotten an!“
Misserfolge fördern die Gewaltbereitschaft
Fragt man nach den Ursachen von Gewalt an Schulen, spielt nach Meinung des ehemaligen Schulpsychologiedirektors die persönliche Leistung von Schülerinnen und Schülern eine große Rolle: „Wenn sie über Jahre keinerlei Erfolgserlebnisse in der Schule haben, suchen sie sich Bereiche, in denen sie erfolgreich sind. Gehöre ich in meiner Klasse zu den Schlechtesten, bin ich vielleicht der Star in meiner Jugendgang, wenn ich jemanden verprügelt habe.“ Das Klischee des gewaltbereiten Migrantenkindes stimmt seiner Ansicht nach nicht. „Der Migrationshintergrund alleine ist kein Grund für Gewalttätigkeit. An deutschen Schulen gibt es Schüler, deren Eltern aus anderen Ländern kommen und trotzdem Spitzenleistungen bringen“, so der Experte. Das Problem liegt seiner Meinung nach eher bei der sozialen Schicht: „Wenn ich Arbeitslosigkeit schon durch mein Elternhaus kenne und ich weiß, dass ich keinen Schulabschluss schaffe, dann ist mit oft alles egal. Dann kann ich mich auf der Straße und eben auch auf dem Schulhof bewähren.“ Auch wenn Kinder und Jugendliche durch die Eltern oder die Geschwister mit Gewaltbereitschaft vertraut sind, steigt das Aggressionspotential. Zusätzlich zum sozialen Umfeld spielt auch die Persönlichkeit eine Rolle. So neigen nach Aussage Seifrieds Kinder und Jugendliche häufiger zu Gewalt, wenn sie selber ängstlich sind: „Sie kompensieren ihre Unsicherheit und die eigenen Ängste, indem sie in der Gruppe agieren. Hier spüren sie plötzlich Macht und Anerkennung, wenn sie gemeinsam auf jemanden losgehen.“
Opfer schützen und Täter integrieren
Kommt es zu Gewalt an Schulen, sollten Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Schulleitung schnell und entschieden reagieren. Denn die Kinder und Jugendlichen müssen merken, dass das Problem ernst genommen wird und solche Auseinandersetzungen nicht geduldet sind. So sollte zum einen sichergestellt sein, dass das Opfer künftig vor weiteren Angriffen geschützt ist. Auf der anderen Seite muss versucht werden, den Täter nicht einfach nur zu bestrafen, sondern auch wieder in die soziale Gemeinschaft zu integrieren diesem und eine zweite Chance zu geben. Viel wichtiger als den Täter zu versetzen ist nach seiner Meinung ein Täter-Opfer-Ausgleich. Handelt es sich beispielsweise um einen Mobbingvorfall im Internet, muss sich der Täter dort beim Opfer entschuldigen. Aus pädagogischer Sicht geht es beim Täter-Opfer-Ausgleich darum, einen Fehler einzugestehen und zu versuchen, diesen ein Stück weit wieder gutzumachen. „Das ist sehr viel wichtiger als ein Klassen- oder Schulverweis. Kinder und Jugendliche sind nicht so nachtragend wie Erwachsene. Eigentlich sind sie froh, wenn sich jemand entschuldigt. Dabei muss es sich aber um eine ehrliche Entschuldigung handeln“, führt Seifried weiter aus. Vor allem in schwereren Fällen von Gewalt fühlen sich Lehrerinnen und Lehrer häufig überfordert. Daher rät der Experte dazu, sich bei Bedarf Hilfe bei der Schulleitung und den Schulpsychologen bzw. den schulpsychologischen Beratungsstellen zu suchen. Zudem besteht immer die Möglichkeit, einen Präventionsbeauftragten der Polizei hinzuzuziehen. Diese können die betroffenen Lehrerinnen und Lehrer ausführlich zum Thema informieren und beraten. „Zudem hat es meist eine große Wirkung auf die Kinder und Jugendlichen, wenn Polizisten in Uniformen in die Klasse kommen und zum Beispiel an einer Klassenkonferenz teilnehmen, die aufgrund einer solchen Problemsituation einberufen wurde“, fügt Seifried hinzu.
MW (24.02.2017)
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