Cyberkriminalität in Deutschland
Perfide Methode „Social Engineering“
Eine Schwachstelle, die als Einfallstor von vielen Unternehmen unterschätzt wird, ist das sogenannte „Social Engineering“. Unter diesem Oberbegriff wird eine ganze Reihe von Aktivitäten zusammengefasst, mit denen die Täter das Ziel verfolgen, die Nutzerin oder den Nutzer durch das Vorspielen falscher Tatsachen zu täuschen. Am häufigsten nutzen die Cyberkriminellen die E-Mail-Konten von Beschäftigten. Zum Beispiel geben sie sich als IT-Techniker aus, um sich das Vertrauen ihrer Opfer zu erschleichen und ihnen Passwörter oder andere sensible Informationen zu entlocken. Oder sie verschicken E-Mails mit angeblich wichtigen Anhängen oder Links, über die das Opfer beim Anklicken Schadprogramme herunterlädt. Manchmal stecken hinter solchen Attacken große Organisationen, Wettbewerber oder sogar staatliche Akteure. Weitere Gefahr geht von sogenannten Innentätern aus. Das können bestehende oder ehemalige Mitarbeiter sein, die der Firma schaden wollen.
Vielen Unternehmen fehlt ein Notfallplan
„Selbst das beste Sicherheitskonzept ist kaum wirksam, wenn es in der Praxis nicht von der Belegschaft umgesetzt wird“, betont Peter Vahrenhorst. Dazu gehört auch, dass man die Beschäftigten in die Bekämpfung von IT-Risiken einbezieht: „Warum sollte ein Mitarbeiter, der einen falschen Link angeklickt hat, die IT-Abteilung informieren, wenn er weiß, dass ihm danach sowieso die fristlose Kündigung droht?“, gibt Vahrenhorst zu bedenken. So ein Klima der Angst sei eher kontraproduktiv. „Zeit ist ein wichtiger Faktor bei Cyberangriffen. Da dürfen Fehler kein Tabu sein, sondern sollten ein Anlass sein, um daraus zu lernen.“ Zwar ist das Bewusstsein für die Gefahr in vielen Betrieben schon gestiegen, aber Peter Vahrenhorst sieht auch noch viel Luft nach oben. „Die Geschäftsführung muss das richtige Verhalten auch vorleben“, so der Experte. Das Thema IT-Sicherheit sei ähnlich wichtig wie der Brandschutz, bekäme aber nicht die gleiche Priorität eingeräumt: Das richtige Verhalten bei Bränden werde durch Schulungen und regelmäßige Übungen oft geprobt, aber nur 51 Prozent der Unternehmen in Deutschland hätten laut einer Bitkom-Umfrage einen Notfallplan, um auf Cybervorfälle zu reagieren. „Das ist vor allem deshalb so problematisch, weil die Angriffsmethoden immer komplexer werden. Von der Glühbirne bis zum smarten Kühlschrank nutzen die Täter so ziemlich jede Schwachstelle für einen Angriff auf die gesamte Infrastruktur“, mahnt Vahrenhorst.
Den Tätern auf der Spur
In der Bitkom-Studie von 2019 gaben rund drei Viertel der Unternehmen an, bereits einmal Opfer eines Cyberangriffs gewesen zu sein. „Allein in Nordrhein-Westfalen hätten wir also mindestens 500.000 betroffene Unternehmen. Wir haben aber jährlich nur rund 20.000 angezeigte Fälle. Das Dunkelfeld der Cyber-Vorfälle, die der Polizei nicht bekannt sind, ist also sehr groß“, sagt Vahrenhorst. Die Aufklärungsquote lag im Jahr 2019 in NRW bei etwa 30 Prozent. „Das ist eine gute Quote“, so Vahrenhorst. „Klar ist, dass wir nicht alle Täter erwischen können. Aber sie sind auch nicht unbesiegbar.“ Zum Beispiel müssen die Täter die eingenommene Kryptowährung irgendwann umtauschen. Dadurch ergeben sich für die Ermittler und Ermittlerinnen Chancen, die Täter zu identifizieren. „Wir können zwar den angerichteten Schaden bei den Unternehmen nicht reparieren, dafür gibt es professionelle IT-Dienstleister. Aber wir können den Unternehmen helfen, die Schäden einzudämmen und ihre IT-Sicherheit weiter zu verbessern“, so der Experte.
(AL/WL, 12.05.2021)
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