Straftäter mit Migrationshintergrund
Sozialisations- und Gewalterfahrungen als Ursache
Sind Menschen mit Migrationshintergrund wirklich krimineller?
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Irreguläre Migration und Kriminalität gehören zusammen, so jedenfalls die Meinung eines Teils der Medien und der Gesellschaft. Vor allem junge Männer aus den Maghreb-Staaten scheinen der Polizei zunehmend Probleme zu bereiten. Sie sollen für einen Anstieg von Diebstahl- und Gewaltdelikten verantwortlich sein. Auch die Zahlen der gerade veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 scheinen diese These zu belegen. Doch dabei sollte man genauer hinschauen und die komplexen Ursachen beleuchten, warum die Kriminalitätsrate von Menschen bestimmter Herkunft derzeit höher ist als der Durchschnitt.
Bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung in Deutschland für das Jahr 2022 wurde klar: Die Kriminalität ist im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittlich angestiegen, nämlich um 11,5 Prozent. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Normalisierung des Lebens nach dem Ende der Corona-Einschränkungen. Doch der Anteil der Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsbürgerschaft ist im Vergleich zum Vorjahr um 22,6 Prozent auf 783.876 gestiegen. Darunter befanden sich 310.062 Zuwanderer, das ist ein Anstieg um 35 Prozent. Kurz gefasst kann man sagen: Zwei Drittel der Tatverdächtigen hatte einen deutschen Pass, ein Drittel waren Ausländer. Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund, die einen deutschen Pass haben, in den zwei Dritteln der deutschen Tatverdächtigen enthalten sind, wird von der Statistik nicht erfasst. Auch zu den Geflüchteten macht die Statistik klar: Der Anteil Geflüchteter an allen Tatverdächtigen ist deutlich höher ist als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Diese Zahlen kann man nicht ignorieren, aber man sollte sie richtig interpretieren, um populistischen Reflexen gezielt entgegenzuwirken, die Menschen mit Migrationsgeschichte pauschal zu Kriminellen abstempeln.
Deutlich mehr Menschen sind nach Deutschland geflohen
Der Kriminologe Christian Walburg von der Universität Münster forscht seit Jahren zu diesem Thema. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ erklärte er, junge Männer verübten grundsätzlich mehr Delikte als andere Bevölkerungsgruppen. Und 2015/16 sowie 2022 seien viele junge Männer nach Deutschland geflüchtet. Delikte von Geflüchteten werden nach seiner Einschätzung wohl auch etwas häufiger angezeigt. „Das alles erklärt die Auffälligkeit aber noch nicht vollständig“, folgert der Forscher. „Eine Rolle spielen auch die unsichere Lebenssituation und die Sozialisations- und Gewalterfahrungen, die die Menschen zum Teil mitbringen.“ Manche haben auch in ihren Heimatländern unter prekären Bedingungen gelebt, wurden selbst Opfer von Gewalt und haben keine Erfahrung damit, wie es ist, in einem Rechtsstaat zu leben.
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Die monatelange Unterbringung in Notunterkünften ohne Perspektive ist für die Flüchtlinge belastend
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Kernaussagen des Bundeskriminalamts
Das Bundeskriminalamt hat die Zahlen für die ersten drei Quartale des Jahres 2022 zum Zusammenhang von Kriminalität und Zuwanderung ausgewertet und kommt zu einigen interessanten Einschätzungen. Zuwanderer fallen demnach vor allem durch Ladendiebstahl (Schwerpunkt: Zuwanderer aus den Maghreb-Staaten), Schwarzfahren oder Körperverletzungen auf (Schwerpunkt: Zuwanderer aus Gambia, Nigeria und Somalia). In 74 Prozent der Rohheitsdelikte waren nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer Zuwanderer. Die Rohheitsdelikte, also Körperverletzung oder Raub, machen die Hälfte aller Straftaten aus, die von Zuwanderern begangen werden. Das BKA weist auch darauf hin, dass Zahlen der Gewalttaten aus der rechtsextremen Szene gegen Flüchtlingsunterkünfte und gegen einzelne Asylbewerberinnen und -bewerber, nicht weiter sinken. Sie lagen für die Quartale 1 bis 3 des Jahres 2022 in etwa auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums.
Entscheidend ist, wer aus den Herkunftsländern nach Deutschland kommt
Die Kriminalstatistik belegt: Bei Zuwanderern aus den Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien ist der Anteil der Mehrfachtatverdächtigen besonders hoch. Einen Spitzenwert gibt es bei Menschen aus Algerien: Bei 56,6 Prozent derjenigen, die als Tatverdächtige registriert werden, passiert das mehrfach. „Die in der Statistik auffälligen jungen Männer, die aus Nordafrika gekommen sind, haben auch dort eher am Rand der Gesellschaft gelebt und häufiger Vorerfahrungen mit Kriminalität mitgebracht“, erklärt der Kriminologe Walburg. Aus Syrien sei eher ein Querschnitt der Bevölkerung gekommen. Entsprechend weniger Delikte gebe es bei Zuwanderern aus Syrien. Sein Fazit: „In der Summe hatte die Ankunft Geflüchteter 2015 und 2016 einen Einfluss auf die Kriminalitätslage in Deutschland, aber keinen dramatischen.“ Besondere Aufmerksamkeit verdienen seiner Ansicht nach die Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die jedoch weiterhin im Land sind und kaum Integrationsmöglichkeiten haben: „Das ist eine besonders belastende Lebenssituation. Manche kommen damit besser klar, andere weniger gut, kriminologisch kann das mit Risiken verbunden sein. Nicht jeder wird deshalb zum Gewalttäter, aber für diese spezielle Gruppe braucht es bessere Lösungen“, sagt Walburg.
WL (28.07.2023)
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