Ein Patientenbericht

Jessica wohnte in einer westdeutschen Kleinstadt. Sie hatte einen alkoholabhängigen Vater und eine medikamentenabhängige Mutter. Nachdem sie im Elternhaus früh Gewalt durch den Vater erfahren und Trauma- und Bindungsstörungen entwickelt hatte, kam sie im Alter von zweieinhalb Jahren in eine Pflegefamilie. Ihren leiblichen Eltern wurde das Sorgerecht entzogen.

 

Traumata in der Kindheit können zu frühem Alkohol- und Drogenmissbrauch führen

© Hunta, fotolia

Die Entwöhnungsbehandlung in der Klinik

In der Klinik wurde Jessica bereits am dritten Behandlungstag mit Alkohol rückfällig. Schon in der Aufnahmediagnostik und später in der Psychotherapiegruppe wurden unter anderem ihre Traumastörung, ihre Bildungsdefizite, ihre sozialen Störungen und die von ihr verinnerlichten Werte des Drogenmilieus deutlich. Erste therapeutische und pädagogische Ziele waren daher die Motivation zu dauerhafter Abstinenz und die soziale Integration in die Stationsgruppe. In der Therapiegruppe traf Jessica auf Patienten mit einem ähnlichen Schicksal, die ihr zum Teil gute Rückmeldungen gaben, wenn sie sich am Gruppenprozess beteiligte. Zur Bezugstherapeutin entwickelte sie bald Vertrauen, weil sie sich von ihr ernst genommen fühlte. So traute sie sich immer mehr, über ihre Erfahrungen, Gefühle und Konflikte zu sprechen. 

Jessica nahm an der Integrationsgruppe Raucherentwöhnung teil, versuchte den ersten Rauchstopp jedoch erst im dritten Behandlungsmonat. Sie nahm vormittags jeweils für sechs Wochen an der Arbeitstherapie im Haushalt, im Garten und im klinikeigenen Café sowie am Klinikunterricht teil. Jessica musste anfangs häufiger zur Arbeit und zum Unterricht geholt werden, machte in der ersten Zeit viele zusätzliche Pausen und störte durch ihr aggressives Verhalten andere bei der Arbeit und beim Lernen. Bald gewöhnte sie sich jedoch an die festen Arbeits- und Unterrichtszeiten und wurde ruhiger. Sie merkte, dass sich durch Arbeit und Schule eine Beschäftigung fand, die es ihr erleichterte, den Tag zu überstehen.

Sport fördert den Teamgeist und wirkt aggressivem Verhalten entgegen

© CC-Verlag

Mit Jessica wurde außerdem eine regelmäßige Sportteilnahme und Steigerung ihrer Fitness vereinbart. Jessica spielte gerne Fußball und holte sich dabei Anerkennung von anderen Patienten. Sie profitierte von strukturierten Tagesabläufen und vom verbindlichen Sportangebot – beides wirkte ihrer Aggressionsneigung entgegen. Sie konnte zunehmend eine Identifikation mit Werten wie Fairness und sportlichem Ehrgeiz aufbauen und ihre Teamfähigkeit verbessern. Sie wurde insgesamt ruhiger und begann, ein positives Körpergefühl zu entwickeln. In der Therapie war der Erzieher als verlässliche und empathische elterliche Bezugsperson wichtig. Die geduldige und ständig wiederholte Konfrontation mit unangemessenem Verhalten, das Setzen von Grenzen und konsequentes Fordern war für die Therapie besonders relevant. Jessica beteiligte sich an den von Erziehern begleiteten Freizeitprojekten und Ausflügen und wurde Mitglied im Billard- und Büchereiteam, wo sie ein wenig Verantwortung übernahm. Erzieher und Lehrer ermutigten sie durch gezielte Förderung von Aktivitäten zur weiteren Entwicklung brachliegender Kompetenzen. So konnte sie ihre Begabungen neu entdecken. Sie nahm am Anti-Gewalt-, EDV- und Bewerbungstraining teil. Auch entwickelte sie neue Zielvorstellungen wie das Erreichen eines Schulabschlusses, die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz, den weiteren Abbau dissozialer Verhaltensweisen sowie die Verbesserung ihrer Fitness und sozialen Kompetenzen. Jessica konnte eine Alkoholabstinenz entwickeln und verließ die Klinik nach sechs Monaten, um in einer kooperierenden Einrichtung mit Nachsorge ihre Abstinenzfähigkeit weiter zu festigen und in einer Schule für abhängigkeitskranke Jugendliche einen Hauptschulabschluss nachzuholen. (fiktiver Bericht, angelehnt an echte Therapiefälle. Quelle: Jürgen Schlieckau, Pädagogischer Leiter der Dietrich Bonhoeffer Klinik – Fachkrankenhaus für junge Abhängigkeitskranke, Großenkneten-Ahlhorn/Niedersachsen) 

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