< Grenzen spüren, Grenzen setzen

Ordnungswidrigkeit oder Straftat?

Im Straßenverkehrsrecht werden Vergehen häufig als Ordnungswidrigkeit geahndet. Doch ab wann wird falsches oder riskantes Fahrverhalten eigentlich zur Straftat? Jeldrik Grups von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) klärt im Gespräch mit PolizeiDeinPartner über die wichtigsten Unterschiede und Konsequenzen auf.

Legalitäts- vs. Opportunitätsprinzip

Strafvefolgungerfolgungsbehörden in Deutschland, darunter Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll und Steuerfahndung, unterscheiden zwischen dem sogenannten Legalitäts- und Opportunitätsprinzip. „Bei Straftaten gilt grundsätzlich das Legalitätsprinzip“, so Jeldrik Grups. „Das bedeutet: Sobald bekannt wird, dass ein Vergehen den Tatbestand einer Straftat erfüllen könnte, sind unsere Kolleginnen und Kollegen gezwungen, Ermittlungen einzuleiten.“ Im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Bußgeldverfahren) herrscht hingegen das Opportunitätsprinzip: „Hier hat die Polizei die Möglichkeit, abzuwägen, ob ein Vergehen verfolgt wird oder nicht. Kurz gesagt: Die Beamtinnen und Beamte können eingreifen, müssen es aber nicht in jedem Falle.“ Kann die Ordnungswidrigkeit nicht bzw. nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, wird das Verfahren ohnehin eingestellt.

Jeldrik Grups, Gewerkschaftssekretär in der Bundesgeschäftsstelle der Gewerkschaft der Polizei

© GdP

Grenze schwer zu bestimmen

Es gibt eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, die unter gewissen Umständen schnell in einen Straftatbestand übergehen können. So verhält es sich zum Beispiel bei einer Trunkenheitsfahrt mit 0,5 Promille. Dabei handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die in der Regel mit 500 Euro Bußgeld und zwei Punkten in Flensburg bestraft wird. Aber nur, wenn nichts weiter passiert ist. Sobald man mit dieser Promillezahl einen noch so kleinen Verkehrsunfall verursacht, handelt es sich nicht mehr um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um eine Straftat. Folglich müssen die Verursacher mit einer Geldstrafe rechnen – und der Führerschein ist mindestens sechs Monate weg. Gleiches gilt beim Drängeln mit Lichthupe, beim Überfahren einer roten Ampel, beim Überholen trotz Überholverbot oder zu schnellem Fahren in einer verkehrsberuhigten Zone. „Alle diese Delikte sind prinzipiell erst einmal Verkehrsordnungswidrigkeiten, die jedoch schnell zu Straftaten werden können, sobald man grob verkehrswidrig oder rücksichtslos fährt und andere Verkehrsteilnehmende dabei gefährdet“, weiß Grups. Auch Gaffer bei Verkehrsunfällen müssen unter Umständen mit einer Haftstrafe rechnen. Entfernen sie sich nicht vom Unfallort, obwohl sie von der Polizei dazu aufgefordert wurden, handelt es sich dabei „noch“ um eine Ordnungswidrikeit. Zur Straftat wird das Gaffen allerdings dann, wenn man in Not geratenen Personen keine Hilfe leistet. Auch ein nicht abgesetzter Notruf kann als unterlassene Hilfeleistung ausgelegt werden. Fertigen Schaulustige zusätzlich Videos oder Fotos vom Unfallort oder sogar von den Verletzten oder Todesopfern an, machen sie sich im besonderem Maße strafbar.

Mildere Strafen fürs sogenannte Schwarzfahren?

Ohne Ticket im öffentlichen Nahverkehr zu fahren, gilt bislang als Straftat. Grundlage dafür ist der Paragraph 265a des Strafgesetzbuchs (StGB). Das „Erschleichen von Leistungen“, so der offizielle Name des Delikts, wird demnach mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Auch mit dem Hinweis, man wolle die Behörden entlasten, wird im politischen Raum diskutiert, das sogenannte Schwarzfahren zukünftig nicht mehr als Straftat sondern als Ordnungswidrigkeit einzustufen. „Ob im schlimmsten Falle Gefängnisstrafen für das Fahren ohne Fahrschein sinnvoll und gerecht sind, wird in Politik und Gesellschaft in letzter Zeit verstärkt diskutiert“, betont Jeldrik Grups. „Im Kern geht es hier um die Frage, ob das Schwarfahren nach heutigem gesellschaftlichen Verständnis von Recht und Unrecht tatsächlich (noch) einen besonders schwerwiegenden Gesetzesverstoß darstellt.“ Sollte aus den bestehenden Ideen der Entkriminalisierung Realität werden, wäre für das sogenannte Schwarzfahren künftig wohl nur noch eine Geldbuße fällig. „Unabhängig davon, wie man selbst den Schweregrad des sogenannten Schwarzfahrens bewerten mag – um die Behörden zu entlasten wäre jedenfalls zielführender, den Polizei- und Ordnungsbehörden mehr Personal zur Verfügung zu stellen“ kommentiert Grups die Diskussion.

KF (Stand 25.03.2022)

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