Archiv

< Ein Jahr „nora“
11.10.2022

Anonym Anzeige erstatten – ja oder nein?

Zwischen Zeugenschutz und Denunziation abwägen


Anonyme Anzeigen werden mit großer Vorsicht behandelt

© lassedesignen/stock.adobe.com

 

Manche Menschen, die von einer Straftat wissen und den Täter oder die Täterin bestraft sehen wollen, wollen bei einer Anzeige nicht ihre Identität preisgeben. Sie fürchten Racheaktionen der von ihnen beschuldigten Person. Ist in einem solchen Fall eine anonyme Anzeige eine gute Alternative? Oder gibt es bessere Lösungen?

Anonyme Anzeigen haben weniger Gewicht

Sie sind sich sicher: Ihr Nachbar ist Mitglied in einem Kinderpornoring und sein PC mit dem belastenden Foto- und Videomaterial befindet sich im Keller seines Hauses. Um sich selbst zu schützen, erstatten Sie bei der Polizei eine anonyme Anzeige. Doch die Polizei erhält von der Staatsanwaltschaft keinen Durchsuchungsbescheid für die Wohnung und die Geschäftsräume Ihres Nachbarn. Der Grund: Der Schutz der Wohnung ist höher einzuschätzen als der anonyme Hinweis, bei dem man nichts über die Anzeige erstattende Person und ihre Motive weiß. Auch eine Klage gegen diesen Bescheid hat keinen Erfolg. So hat das Landgericht Augsburg in einem Fall entschieden. Und das aus gutem Grund: Sie könnten ja ein beruflicher Konkurrent sein, der seinen Mitbewerber mit einer haltlosen Verdächtigung gesellschaftlich ruinieren will. Sie könnten auch eine wütende Nachbarin sein, die sich eigentlich über etwas ganz anderes bei ihrem Nachbarn ärgert und ihm zu ihrer persönlichen Genugtuung eine ungerechtfertigte Kinderporno-Anzeige an den Hals wünscht.

In einer gerichtlichen Hauptverhandlung muss ein Zeuge oder eine Zeugin namentlich benannt werden

© Andreas Gruhl/stock.adobe.com

Schutz vor Denunziationen

Es gibt gute Gründe dafür, dass grundsätzlich die Personalien aufgenommen werden, wenn man eine Strafanzeige erstattet. Allgemeine Verdächtigungen dürfen nicht zu Ermittlungen führen. Wenn die Identität der oder des Anzeigenden zweifelsfrei feststeht, können die Ermittlungsbehörden Ihre Aussage besser einschätzen und man kann sie bei Rückfragen erreichen. Anonyme Anzeigen werden hingegen in der Regel mit großer Vorsicht behandelt und nur beachtet, wenn nachprüfbare Hinweise auf erhebliche Straftaten vorgebracht werden. Dies ist etwa beim sogenannten Whistleblowing der Fall, wenn also anonyme Personen aus einem Unternehmen oder einer Institution der Polizei und Staatsanwaltschaft handfeste Belege etwa für Korruption oder Betrug zuspielen. Laut Bundesverfassungsgericht ist eine beträchtliche sachliche Qualität der Anzeige oder die gleichzeitige Vorlage von schlüssigem Tatsachenmaterial nötig, damit die Strafverfolgungsbehörden auf Basis einer anonymen Anzeige tätig werden. So will man Denunziantentum verhindern und die Unschuldsvermutung wahren.

Seite: 12weiter >>

Weitere archivierte Kurznachrichten

21.07.2020

„Verfassungsfeinden keinen Raum lassen“[mehr erfahren]

09.07.2020

Neues Quiz zu Verschwörungstheorien[mehr erfahren]

09.07.2020

Studie zeigt: Nebentätigkeiten führen zu Fahrfehlern[mehr erfahren]

09.07.2020

Weniger Zigaretten und Alkohol, mehr Cannabis[mehr erfahren]

15.06.2020

Kooperation zwischen BSI und Verbraucherzentralen[mehr erfahren]

15.06.2020

Mehr Befugnisse für die Polizei[mehr erfahren]

04.06.2020

Junge Menschen tragen häufiger Fahrradhelme[mehr erfahren]

04.06.2020

klicksafe-Booklet für Eltern erschienen[mehr erfahren]

04.06.2020

Gewalt gegen Polizeibeamte[mehr erfahren]

20.05.2020

Spam-Mails rund um Corona in Umlauf[mehr erfahren]

20.05.2020

Es drohen Haft- und Geldstrafen[mehr erfahren]

20.05.2020

GdP gegen Abmilderung des neuen Bußgeldkatalogs[mehr erfahren]

05.05.2020

Viermal höhere Unfallbeteiligung[mehr erfahren]

05.05.2020

Mehr Schutz vor Betrügern[mehr erfahren]

05.05.2020

GdP begrüßt strengere Regeln[mehr erfahren]