Archiv

01.07.2012

Tätertherapie ist Opferschutz

Dem Missbrauch den Rücken kehren

Tätertherapie kann Missbrauch verhindern

© Christian Albert, MEV-Verlag

 

Pädophilie oder Pädosexualität, also das sexuelle Interesse eines Erwachsenen an Kindern, wird als psychische Störung eingestuft. Als „kernpädophil“ gelten diejenigen Pädosexuellen, deren sexuelles Interesse ausschließlich Kindern gilt. Jürgen Lemke ist approbierter Psychotherapeut in der Einrichtung Kind im Zentrum“ (KiZ) in Berlin, einer Beratungs- und Therapiestelle für Täter und Opfer von sexuellem Missbrauch. Er arbeitet seit Jahren mit verurteilten Pädosexuellen, die Kinderpornografie konsumiert oder hergestellt haben oder selbst Kinder sexuell missbraucht haben. Eine Gruppentherapie, die sich in der Regel über zwei bis drei Jahre erstreckt, gehört häufig zu den geforderten Auflagen der zuständigen Gerichte. „Wir gehen davon aus, dass die Arbeit mit Tätern präventiven Charakter hat und den Missbrauch an Kindern reduzieren oder verhindern kann“, erklärt Jürgen Lemke. Von den Tätern sei allerdings kein einziger freiwillig in Therapie – den meisten fehle es komplett an Unrechtbewusststein. Der Täter müsse daher in einem langen Prozess überhaupt erst einmal einsehen, warum etwa der Konsum von Kinderpornografie den Kindesmissbrauch fördert und unterstützt. Bis diese Einsicht entsteht, könne es schon mal ein bis zwei Jahre dauern. Jürgen Lemke: „Der Begriff ‚bagatellisieren’ beschreibt das Verhalten der Täter am besten. Denn es wird einfach alles bagatellisiert. Der Konsum und die Herstellung von Kinderpornografie genauso wie ein aktiv begangener Missbrauch. Dies geschieht einerseits zur Selbstberuhigung. Andererseits sehen die Täter sich selbst häufig als Unschuldslämmer – sie sind sich keinerlei Schuld bewusst.“  Für die Pädosexuellen ist Kinderpornografie kein Kindesmissbrauch. Darauf angesprochen reagieren die meisten mit Ausreden und Schutzbehauptungen wie „Die Kinder sehen ja auf den Bildern nicht unglücklich aus – die weinen ja nicht!“ oder „Die spielen doch nur, das ist doch nichts Schlimmes“ bis hin zu „Ich helfe ja dem Kind, wenn ich die Bilder kaufe – die Familie lebt ja auch davon!“ Die erste Phase der Therapie sei daher immer den äußeren Druck in eine innere Motivation umzuwandeln, erklärt der Therapeut. Die Täter müssten wirklich verstehen, dass der Konsum von Kinderpornografie direkt mit dem Missbrauch zusammenhängt. Sie müssen begreifen, dass dieses Bild- oder Videomaterial überhaupt nur produziert wird, weil die Nachfrage danach besteht. Sie müssen verstehen: Wer Kinderpornografie konsumiert, macht sich mitschuldig am Missbrauch von Kindern. Und, dass kein Kind sich freiwillig missbrauchen lässt oder gar Spaß daran hat. 

Täter müssen lernen, Empathie für die Opfer zu empfinden

© CC-Verlag

 Durch die intensive Auseinandersetzung in den Gruppentherapien werden bei den Tätern Denkprozesse in Gang gesetzt. „Es bringt nichts, ihnen eine Standpauke zu halten, nach dem Motto „Das darfst du nicht!“.“ Man müsse vielmehr psychotherapeutisch arbeiten und ihnen Stück für Stück begreifbar machen, dass sie Kindern durch ihr Verhalten ernsthaften Schaden zufügen und welche realen Missbrauchs-Prozesse hinter der Kinderpornografie stecken, meint Jürgen Lemke. „Daraus erwächst dann – im besten Fall – ein wirkliches Verstehen.“ Ein zentraler Aspekt in der Therapie ist das Wecken von Empathie für die Opfer: Die Täter lernen, welche Spätfolgen ein Missbrauch für ein Kind haben kann. Nicht zuletzt muss der Pädosexuelle auch erkennen, wie absurd die Vorstellung ist, dass ein Erwachsener eine gleichberechtigte partnerschaftliche sexuelle „Beziehung“ mit einem Kind haben kann. „Man muss während der Therapie Prozesse in Gang bringen, die zeigen, dass es nun einmal ein Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern gibt und der Erwachsene dem Kind immer überlegen sein wird. Nur auf Drängen des Erwachsenen hin findet der sexuelle Kontakt statt. Niemals auf Wunsch des Kindes“, so Lemke.

Seite: 12weiter >>

Weitere archivierte Kurznachrichten

03.11.2021

Neue Lernplattform für die Generation 50+[mehr erfahren]

03.11.2021

NRW-Hinweistelefon für sexuellen Missbrauch gestartet[mehr erfahren]

19.10.2021

Verbraucherreport 2021 erschienen[mehr erfahren]

19.10.2021

Kostenloses IT-Sicherheitstraining für Bürger[mehr erfahren]

19.10.2021

GdP warnt vor Cannabis-Legalisierung[mehr erfahren]

05.10.2021

Zahlreiche Aktionen sollen Verbraucher sensibilisieren[mehr erfahren]

05.10.2021

Notruf-App „nora“ bundesweit gestartet[mehr erfahren]

05.10.2021

GdP fordert Maßnahmen für ein „Zukunftsprogramm Innere Sicherheit“[mehr erfahren]

21.09.2021

Profis beraten Jungen und Männer in Krisensituationen[mehr erfahren]

21.09.2021

Verbraucherschutz mahnt knapp 100 Firmen ab[mehr erfahren]

21.09.2021

Neue DVR-Aktion apelliert an Jugendliche[mehr erfahren]

10.09.2021

Erstes Fortbildungsangebot des neuen Cyber-Sicherheitsnetzwerks[mehr erfahren]

10.09.2021

Autos besser vor Hackerangriffen schützen[mehr erfahren]

10.09.2021

Zehn Jahre Portal „Lebensmittelklarheit.de“[mehr erfahren]

10.09.2021

Neues Smart-eID-Gesetz ist in Kraft getreten[mehr erfahren]