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13.02.2014

Wie genau sind Augenzeugen-Aussagen?

Verändern sich die Erinnerung mit der Zeit? 

Peter Marchlewski: Zeit ist zweifellos nicht der beste Freund des Gedächtnisses. Ich rate allerdings dazu, diesen Faktor auch nicht zu hoch zu bewerten. An manche Dinge können wir uns schon wenige Sekunden später nicht mehr erinnern, an andere noch nach zehn Jahren glasklar. Das kennt jeder von uns. Doch woher kommt das? Eine ganz genaue Antwort kennen wir noch nicht. Auf jeden Fall hat es mit der Bedeutung zu tun, die unser Unterbewusstsein der konkreten Erinnerung zuordnet. Eine bewusste Entscheidung ist es zweifellos nicht. Denn ansonsten könnten wir bei Prüfungen immer alles abrufen, was wir irgendwann einmal gelesen haben. Bei mir hat das leider nie geklappt. 

Welche Faktoren wirken auf unsere Erinnerung ein? 

Peter Marchlewski: Wenn ich das bloß im Einzelnen wüsste. Auf jeden Fall besteht unsere Wahrnehmung nicht nur aus dem, was wir sehen, sondern auch aus dem, was wir zum Beispiel sehen wollen oder wovor wir uns fürchten. Unsere Gefühle, Ängste und Erwartungen bestimmen auch unsere Augen. Sie sind wie Hintergrundmusik. Man nimmt sie häufig gar nicht wahr und doch beeinflussen sie alles. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie tauschten die Musik eines Krimis gegen die einer Komödie. Da wäre der Krimi nicht spannend und die Komödie nicht lustig. Genauso ist das bei uns Menschen auch. Wenn wir schlecht gelaunt auf eine Feier gehen, auf der alle anderen gut gelaunt sind, ist die Chance, dass wir erkennen, wie gut die Feier wirklich ist, nicht sehr groß. Viel größer ist die Gefahr, dass wir den ganzen Abend blöd fanden. Und da wir das ja schon gewusst haben, bevor wir die Feier betreten haben, spricht man hier auch von einer ,selbsterfüllenden Prophezeiung`. 

Gibt es bei der Polizei und bei Gericht spezielle Befragungstechniken, um Fehler zu vermeiden? 

Peter Marchlewski: Natürlich gibt es spezielle Befragungstechniken. Und mit diesen sollte sich auch jeder beschäftigen, der regelmäßig andere Menschen hinterfragen muss. Eine der einfachsten Techniken: Viele Lügner haben sich ihre Lüge wie einen Film eingeprägt. Sie können diesen Film wunderbar chronologisch erzählen. Wenn ich ihnen aber durch meine Nachfragen nicht gestatte, in der Chronologie zu bleiben, müssen sie ihren Film im Kopf sozusagen immer wieder blitzschnell hin- und herspulen. Viele Lügner können das nicht und beginnen jede ihrer Antworten mit dem Anfang des Films. Das ist ein klares Lügensignal. 

Welche Möglichkeiten habe ich als Zeuge, mich exakt zu erinnern? Ist das überhaupt möglich? 

Peter Marchlewski: Nein. Die selektive Wahrnehmung hat jeden von uns fest im Griff. Es ist sogar innerhalb der Forschung ausgesprochen streitig, ob man sein Gedächtnis trainieren kann. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, ob man das kann. Allerdings kann ich Ihnen sagen, dass es sehr hilft, sich der möglichen Fehlerquellen bewusst zu werden, und zwar keinesfalls nur der der anderen. 

Was raten Sie etwa einem Unfallzeugen: Dinge direkt schriftlich notieren oder sich einfach auf sein Gedächtnis verlassen? 

Peter Marchlewski: Sofort aufschreiben und zwar ganz schnell, ohne lange über einzelne Details nachzudenken. Nur auch dann müssen wir uns der Tatsache bewusst sein, dass die eigene Wahrnehmung keinesfalls fehlerfrei ist. In meinen Vortragsveranstaltungen führe ich das dem Publikum spielerisch vor Augen. Am Ende trauen Sie Ihren eigenen Augen nicht mehr. Doch ich kann Sie beruhigen: Die menschliche Wahrnehmung ist auch ein Schutzschild. Am nächsten Tag haben Sie fast alles wieder vergessen.  (ks) (06.02.2014) 

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