Frauen und Zivilcourage
Selbstbewusst eingreifen und helfen
Zivilcourage ist nicht von körperlicher Stärke abhängig
© Robert Kneschke, fotolia
U-Bahnhof Berlin-Mitte, in einer Nacht am Wochenende: Zwischen müden Passanten und ausgelassenen Partygängern wird ein 17-Jähriger von einer Männergruppe angegriffen. Sie treten ihn zu Boden und schlagen immer wieder auf ihn ein. Danach flüchten sie unerkannt. Vorfälle wie dieser im Februar 2017 passieren immer wieder. Es kommt zu Schlägereien und Auseinandersetzungen an öffentlichen Plätzen und U-Bahnstationen, die trotz ihrer Heftigkeit unbeachtet bleiben und den Tätern eine unerkannte Flucht ermöglichen. Doch warum greift niemand der Umstehenden ein? Psychologen haben herausgefunden, dass viele Passanten wegschauen, bevor sie eine derartige Situation überhaupt erfasst haben oder über ihr eigenes Handeln nachdenken. Außerdem tendieren Menschen dazu, die Verantwortung an andere weiterzugeben. Denn je mehr Passanten bei so einem Konflikt dabei sind, desto weniger fühlt sich der einzelne zum Handeln verpflichtet. Doch wie entwickelt man die Bereitschaft, einzugreifen und Zivilcourage zu zeigen? Was sind dabei die entscheidenden Faktoren? Spielt es eine Rolle, ob man groß oder klein, stark oder schwach, männlich oder weiblich ist?
Schreien gegen Angst und Unsicherheit
Maria Plötz, Vertreterin der Bundesfrauengruppe der GdP und Polizeibeamtin im Sachgebiet Prävention und Verbrechensbekämpfung in Niederbayern, gibt Kurse und Seminare zum Thema Zivilcourage. Gemeinsam mit den Teilnehmern ihrer Kurse spürt sie den Ursachen von Konflikten nach, um dann Möglichkeiten des Handelns aufzuzeigen. „Das Thema ist nicht frauenspezifisch, es betrifft auch Männer. Es ist aber bezeichnend, dass sich Frauen ein Eingreifen oftmals nicht zutrauen“, berichtet sie von den Erfahrungen mit ihren Teilnehmerinnen. In ihren Kursen, die auf Anfrage auch als reine Frauenveranstaltungen organisiert sind, nähert sie sich dem Thema Zivilcourage zunächst über das Gefühl der Angst an. Angst kann dabei viele Ursachen haben. Sie kommt zum Beispiel von einem Gefühl der körperlichen Unterlegenheit oder von mangelndem Selbstbewusstsein. Plötz sieht die Angst vor einem Eingreifen aber vor allem in der Unsicherheit über die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Um den Teilnehmern ihre verbalen Möglichkeiten deutlich zu machen, fordert sie sie im Kurs dazu auf, laut zu schreien. Es sei wichtig, die eigene Stimme zu hören, um diese in Notsituationen auch einzusetzen. Während der Täter normalerweise davon profitiert, dass vorbeilaufende Passanten wegsehen und weitergehen, müsse man ihm deutlich machen, dass seine Tat bemerkt wird. In einer brenzligen Situation rät Plötz zunächst dazu, sich einen Überblick zu verschaffen: Wer ist beteiligt? Wie viele Täter gibt es? Wie ist der Zustand des Opfers? Wer ist sonst noch in der Nähe? Anschließend sollte man Menschen in der Nähe durch eine direkte und laute Ansprache auf die Situation aufmerksam machen und um Mithilfe bitten. „Oft muss eine Person das Eis brechen, damit auch andere die Initiative zum Helfen ergreifen“, erklärt sie. Ist mal niemand in der Nähe und ein alleiniges Eingreifen zu gefährlich, ist es immer möglich, den Notruf zu wählen und sich von den Polizeibeamten weitere Anweisungen geben zu lassen.
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