Die Türkei – ein Rückzugsort für Clankriminelle
Verdächtige müssen kaum Strafverfolgung befürchten
Die Türkei, wie hier Istanbul, ist ein Rückzugsort für Clan-Kriminelle
© timur1970/stock.adobe.com
Im Februar 2023 hat sich ein verurteilter drogenabhängiger Straftäter aus dem Remmo-Clan aus Berlin nach Istanbul abgesetzt, obwohl er noch eine mehrjährige Gefängnisstrafe absitzen müsste. Doch es gab in einem Haftkrankenhaus kein Platz für eine Entziehungskur. So konnte er fliehen. Ein anderer Fall ist der Clan-Chef Heisem Miri aus Bremen. Er lebte 13 Jahre trotz eines Haftbefehls aus Deutschland unbehelligt in der Stadt Mersin, wohin er sich 2009 abgesetzt hatte.
Für die Strafverfolgungsbehörden ist es schwer, Amtshilfe von ihren türkischen Kolleginnen und Kollegen zu erhalten. Thomas Ganz, ehemaliger Ermittler beim LKA Niedersachsen, hat die Spuren von Heisem Miri über Jahre verfolgt, ohne ihn festnehmen zu können: „Es ist nicht einfach, zum Ziel zu kommen“, sagte Ganz im Juni 2023 in einer Dokumentation des TV-Magazins „report München“: „Es wird auf Anfragen nicht geantwortet. Ermittlungsansätze werden verraten oder nicht weiterverfolgt.“ Der Fall Miri steht hier stellvertretend für viele andere: „Der Deutsche Rechtsstaat muss handeln. Und zwar sofort und jetzt,“ fordert Ganz: „Sonst kommen wir in allergrößte Schwierigkeiten.“
Bund schließt Allianz gegen Clankriminalität
Fast zeitgleich zum investigativen TV-Bericht über den Clan-Boss Heisem Miri gründete das Bundesinnenministerium gemeinsam mit einigen Bundesländern und dem BKA eine „Allianz gegen Clankriminalität“. Der Bund will die Länder unter anderem bei der Durchführung gemeinsamer Ermittlungsverfahren unterstützen und der fachliche Austausch über verschiedene Bekämpfungskonzepte soll intensiviert werden. Bundesinnenministerium Nancy Faeser erklärte: „Wir dulden keine kriminellen Parallelgesellschaften. Wir zeigen kriminellen Clans gemeinsam die Grenzen auf. Der Rechtsstaat muss hier Stärke zeigen.“ Die Innenministerkonferenz hat sich im Juni 2023 in Sachen Clankriminalität darauf verständigt, schnellstmöglich Erhebungs- und Erfassungsmodalitäten für die künftige Erstellung einer bundesweiten Lageübersicht „Clankriminalität“ auszuarbeiten. Im Dezember 2023 wird darüber weiter beraten.
Die kriminelle Karriere des Heisem Miri
Nachdem er bereits als Jugendlicher zahlreiche Straftaten begangen hatte, soll Heisem Miri im Januar 2009 in Schwanewede nordwestlich von Bremen für seinen Clan einen Rachemord ausgeführt haben. Sicher ist, dass er sich danach in die Türkei absetzte. Dort soll er im großen Stil über Callcenter Telefonbetrug zu Lasten älterer Menschen in Deutschland organisiert haben. Die Täter gaben sich dabei als Polizisten aus und forderten die Opfer auf, Mittelsmännern und -frauen in Deutschland Geld und Wertgegenstände auszuhändigen. Ende September 2022 verurteilte die Justiz in Izmir insgesamt 67 Telefonbetrüger zu insgesamt 1128 Jahren, 6 Monaten und 28 Tagen Haft. Zudem verhängte es Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 25 Millionen Euro. Als er dies erfuhr, plante Clanchef Miri laut „report München“ seine Flucht aus der türkischen Stadt Mersin, wo er in einem Appartementhochhaus lebte, in den Libanon. Doch da war ihm die türkische Justiz bereits auf den Fersen und nahm ihn fest. Bereits dreimal zuvor, so der TV-Bericht, hatten deutsche Ermittler ihren türkischen Kollegen Hinweise auf den Aufenthaltsort Miris gegeben, doch die Festnahmeversuche scheiterten, weil Miri jedes Mal gewarnt wurde. Bislang sind Miri und seine Komplizen in der Türkei noch nicht verurteilt worden. Sie sitzen aber weiter in Haft. Die Telefonbetrüger des Miri-Clans sollen jetzt aus dem Libanon heraus aktiv sein.
Millionendiebin flieht in die Türkei
Im Jahr 2021 stahl Yasemin Gündogan, die beim Bremer Geldtransportunternehmen Loomis angestellt war, dort mehr als acht Millionen Euro. Sie packte das Geld in Rollcontainer, deckte es mit Altpapier zu und schmuggelte es aus dem Unternehmen. Auch sie setzte sich nach ihrer Tat in die Türkei ab. rbb-Reporter Olaf Sundermeyer vermutet, dass sie keine Einzeltäterin war: Die Struktur der Callcenterbetrüger habe auch diesen Millionen-Diebstahl organisiert. Mehr als 4.000 Angehörige des Miri-Clans leben in Bremen und Umgebung. Dass Yasemin Gündogan heute wahrscheinlich unbehelligt im Badeort Çeşme in der Nähe von Izmir lebt, läge an der angespannten politischen Situation zwischen Deutschland und der Türkei, erklärte Sundermeyer in der TV-Sendung „buten un binnen“: „Die Türkei hat erstmal kein originäres Interesse, dort zu helfen, Straftäter im Auftrag von deutschen Behörden festzusetzen oder Geldwäscheverfahren voranzutreiben. Das ist nicht nur in Bremen so, sondern bundesweit“, so Sundermeyer. Dabei wäre es nach Einschätzung des Reporters für die türkischen Behörden leicht, Gündogan und mögliche Mittäter ausfindig zu machen.
![](https://www.polizei-dein-partner.de/fileadmin/img/thumbs/2023_0075_02.jpg)
Für NRW-Innenminister Herbert Reul hat die Bekämpfung der Clankriminalität Priorität
© IM NRW/Ralph Sondermann
Die Situation hat sich „total verschlimmert“
NRW-Innenminister Herbert Reul hat die Bekämpfung der Clankriminalität an Rhein und Ruhr ganz oben auf die Agenda gesetzt. Im Interview mit „report München“ räumte er jedoch gravierende Schwierigkeiten bei der die polizeilichen Verfolgung von Clankriminellen in der Türkei ein: „Das ist nicht ganz einfach. Die Türkei ist eines der schwierigsten Felder. Dass dies für diese Clanstrukturen sehr hilfreich ist, ist vollkommen klar. Sie kommen von dort und haben dort Partner. Insofern ist das für die Clanmitglieder eine ideale Situation. Und für uns ist es schwer. Das muss man so benennen.“ Die TV-Dokumentation zeigte zahlreiche Fotos, auf denen Angehörige des Miri-Clans gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan zu sehen sind. Ohne dessen Namen zu nennen, meint Reul: „Das hat natürlich etwas mit den politischen Strukturen und den handelnden Personen zu tun. Das hat sich in den letzten Jahren total verschlimmert.“
WL (29.09.2023)
Weitere Infos zum Thema gewerbliche Gebäudesicherheit
Diagnose: Hohe Einbruchsgefahr
Arztpraxen sind in Deutschland seit der Einführung der Praxisgebühr...[mehr erfahren]
Von »Antivirenschutz« bis »Sichere Zugangsdaten«
Bei der Gebäudesicherung eines Unternehmens kommt der Bereich...[mehr erfahren]
„Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied!“
Besonders für Unternehmen und Geschäfte kommt es auf eine gute...[mehr erfahren]
Sicherheitsmaßnahmen für Unternehmen
Maßnahmen zum Einbruchschutz gibt es viele. Aber welche sind die...[mehr erfahren]
Alarmanlagen schützen vor Einbruch und Überfall
Neben der mechanischen Sicherung eines Gebäudes spielt auch der...[mehr erfahren]
Aktivitäten
Service
Präventionsvideos
"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". Und gerade mit bewegten Bildern werden wir alle viel leichter erreicht als mit nüchternen Informationsmaterialien, die nur den Verstand ansprechen. Hier finden Sie die Präventionsvideos.
Schützen Sie Ihre Immobilie gegen Einbruch!
Erklärung einschlägiger Präventions-Begriffe
Beliebte Artikel für Einbruchschutz in Untenehmen
So schützt man sich am besten
Heinrich Hauner ist Kriminalhauptkommissar beim Präsidium München....[mehr erfahren]
Die Videoüberwachung von Betriebsgebäuden ist nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll – und erlaubt
Einbruchsgefahr, Diebstähle durch Supermarktkunden, Unterschlagungen...[mehr erfahren]
Bremer Einbruchschutz-Maßnahme zeigt sich erfolgreich
Die Polizei Bremen startete im Jahr 2009 ein vielversprechendes...[mehr erfahren]