Sexueller Missbrauch geschieht nicht im Affekt
Die Polizeiliche Ermittlungsarbeit führte gerade in der letzten Zeit zur Offenlegung immer größerer Missbrauchsnetzwerke. Wie kann man solche Taten eindämmen, erschweren, verhindern, aufdecken?
Wir brauchen ein grundsätzliches Verständnis für die spezifischen Aspekte sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Das ist keine Gewalt, die impulsiv geschieht, die aus Überforderung passiert, wie oft bei Misshandlung oder Vernachlässigung, sondern sie ist sehr strategisch angebahnt. Und hier zeigt die Erfahrung, wie schwierig es sein kann, jemanden als Täter wahrzunehmen: Es kann eine Person sein, die mir vollkommen normal begegnet, vielleicht ein hohes gesellschaftliches Ansehen besitzt und mit einer hohen kommunikativen Kompetenz ausgestattet ist. Es ist für diese Tätergruppe einfach, immer wieder ein Bild zu erzeugen, das es dem Gegenüber schwer macht, sich vorzustellen, dass der andere ein Täter sein kann. Das heißt, wir müssen uns auch bei den Ermittlungsbehörden noch mal deutlich klarer machen, wie strategisch sexuelle Gewalt angebahnt wird, wie systematisch das Umfeld bearbeitet und manipuliert wird, damit eine Tat nicht aufgedeckt wird. Und das verändert wahrscheinlich den Blick auch bei Anzeigen auf Verdächtige grundsätzlich. Man muss es für möglich halten, dass auch Personen aus dem eigenen Umfeld sexuelle Gewalt ausüben können, um sagen zu können: Okay, diese Person muss nicht schuldig sein, aber wenn sie schuldig wäre, welche Strategien würde sie anwenden, um genau das zu verbergen? Ich glaube, hier braucht es ein größeres grundlegendes Wissen um diese strategische Dimension von sexueller Gewalt. In Hinblick auf die Ermittlungsbehörden sieht man am Beispiel von Nordrhein-Westfalen sehr gut, was erreicht werden kann, wenn Ressourcen aufgebaut und Spezialeinheiten gebildet werden. Hier müssen, glaube ich, andere Bundesländer nachlegen, was die Ausstattung und die Ressourcen angeht – sowohl personell, aber auch in der Technik –, damit wir flächendeckend Taten so früh wie möglich aufdecken. Denn das muss ja das Ziel sein, Kinder aus diesen Gewaltformen zu befreien, die sie hier und jetzt erleben.
Was bringen angesichts dieser Missbrauchsnetzwerke Strafverschärfungen oder intensivere Ermittlungen, auch unter Zuhilfenahme der Vorratsdatenspeicherung bei Providern?
In Nordrhein-Westfalen hat man gesehen, was ein Ressourcenaufbau bringt und wie viel ermittelt werden konnte. Es wurde darauf fokussiert, an die Täternetzwerke und ihre Knotenpunkte zu kommen, um dann strahlenförmig möglichst effizient zu ermitteln. Da haben wir wahrscheinlich auch noch ungenutzte Möglichkeiten, die wir in den Blick nehmen müssen. Dabei ist es mir ein großes Anliegen, festzuhalten, dass wir den Blickwinkel nicht auf Vorratsdatenspeicherung als einzige Option reduzieren dürfen. Ich gehe davon aus, dass wir im Internet deutlich mehr Möglichkeiten haben, als wir bisher nutzen, auch jenseits der Vorratsdatenspeicherung. Und hier komme ich wieder zum Bereich Kinder- und Jugendschutz: Welche Leitplanken setzen wir für Kinder und Jugendliche, um ihnen im Netz eine sicherere Welt bereitzustellen? Und da müssen wir auch mit klaren Vorgaben von Seiten der Politik gegenüber den Providern in einen konstruktiven Austausch gehen.
TE (24.06.2022)
Weitere Infos zum Thema Extremismus und Gewalt
Die neonazistische Partei „Der Dritte Weg“
Sie verteilen Flugblätter, mischen sich bei öffentlichen politischen...[mehr erfahren]
Zahl der Gewalttaten nimmt seit Jahren zu
Die Debatte um linke Gewalt ist nach den Krawallen beim G20-Gipfel...[mehr erfahren]
Braune Ideologie auf grünem Grund
Sie propagieren ein Leben abseits der Gesellschaft inmitten der...[mehr erfahren]
Beratungsstelle Hessen unterstützt durch Prävention und Ausstiegsbegleitung
Wie kann man Jugendliche früh genug gegen salafistische Prediger...[mehr erfahren]
Wenn Rechtsextreme Sportvereine unterwandern
Sport und Politik sind nicht voneinander zu trennen, auch nicht in...[mehr erfahren]
Neues Unterstützungsinstrument für die Polizei
Ob das Aushalten von Beschimpfungen, der Anblick von Tod oder...[mehr erfahren]
Die Aussteiger-Beratung EXIT-Deutschland geht neue Wege
Menschen, die aus der rechtsextremen Szene aussteigen möchten, stehen...[mehr erfahren]
Die Gefahr des „Cyber-Dschihad“
Im Juli 2016 wurden in Ansbach 15 Besucher eines Musikfestivals durch...[mehr erfahren]
Aktivitäten
Service
Audio Podcasts
Hier finden Sie alle Podcasts
Präventionsvideos
"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". Und gerade mit bewegten Bildern werden wir alle viel leichter erreicht als mit nüchternen Informationsmaterialien, die nur den Verstand ansprechen. Hier finden Sie die Präventionsvideos.
Schützen Sie Ihre Immobilie gegen Einbruch!
Erklärung einschlägiger Präventions-Begriffe
Beliebte Artikel zum Thema Gewalt im Extremismus
Wie Nazis das Thema sexueller Missbrauch für ihre Zwecke nutzen
Personen mit rechtsextremistischer Einstellung erkennt man nicht...[mehr erfahren]
Aussteigerprogramm „Exit“ hilft Ex-Rechtsradikalen beim Neuanfang
Gabriel L. bewegte sich 13 Jahre in rechtsextremen Kreisen und war...[mehr erfahren]
Streben nach dem Gottesstaat
Anhänger von salafistischen Vereinigungen gelangen immer wieder in...[mehr erfahren]