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Sexueller Missbrauch im Kinderheim

Kinder sollten in der DDR früh zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erzogen werden. Wer als schwererziehbar galt, musste schon in jungen Jahren das Elternhaus gegen eine Unterbringung in einem Jugendwerkhof oder Spezialkinderheim eintauschen. In vielen Fällen kam es dort zu sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche.

Das Schweigen brechen

Ein Gefühlszustand, an den Schulz als junge Frau lange nicht mehr geglaubt hat. Denn das Schweigen und Verdrängen funktioniert irgendwann nicht mehr. Immer wieder drängen sich bruchstückhaft einzelne Erinnerungen ins Bewusstsein. Sie möchte darüber sprechen, doch der Versuch, sich einer Krankenschwester und einem Frauenarzt als Missbrauchsopfer zu offenbaren, schlägt fehl. Dem Arzt sind die Schilderungen von Susanne Schulz keinen Akteneintrag wert. Der Druck auf die junge Frau steigt immer mehr an, bis es fast zur Katastrophe kommt. Ihre Verzweiflung gipfelt in einem Selbstmordversuch, wegen dem sie von 1985 bis 1988 ambulant in einer Psychiatrie behandelt wird. Mit der Zeit werden die Erinnerungen an das Erlebte konkreter. Mit 27 Jahren kann sie sich zum ersten Mal wieder zusammenhängend erinnern. Zwölf Jahre später beginnt sie das Erlebte aufzuschreiben, im Alter von 42 fühlt sie sich gefestigt genug, um die Vergangenheit in einer Therapie aufzuarbeiten. Jetzt kämpft sie dafür, dass sich die Lage anderer Betroffener ändert. „Ich habe verstanden, dass Menschen, die den sexuellen Missbrauch überlebt haben, ihr Schweigen brechen müssen, denn sonst überlassen sie Tätern und deren Institutionen das Feld“, sagt Schulz. Nach Jahren der Sprach- und Hilflosigkeit möchte sie endlich anfangen, zu reden und Forderungen zu stellen.

Kinder müssen vor sexuellen Übergriffen in Institutionen besser geschützt werden

© LUNAMARINA, fotolia

Susanne Schulz tut das, indem sie beispielsweise den von der Bundesregierung initiierten Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch aktiv unterstützt. Ausgehend von einem intensiven Kontakt mit Dr. Christine Bergmann, der ehemaligen Unabhängigen Beauftragten gegen Kindesmissbrauch, klärte Schulz im Herbst 2010 die Teilnehmer über ihre Erlebnisse in „Groß Fritze“ und ihren persönlichen Werdegang auf. Sie brachte unterschiedliche Forderungen und Vorschläge ins Gremium ein. Darunter Punkte wie das erweiterte Führungszeugnis für alle, die mit Heranwachsenden arbeiten, die Aufnahme des Themas „Sexueller Missbrauch“ in Aus- und Weiterbildung für die Bereiche Bildung, Medizin und Justiz sowie die juristische und historische Aufarbeitung der Heimerziehung. Susanne Schulz ist froh, diese Wand des Schweigens durchbrochen zu haben. Anstatt sich in einer Opferrolle zu verkriechen, will sie die Täter endlich zur Verantwortung gezogen sehen: „Mich ärgert die schwierige Lage der Betroffenen. Es wird Zeit, dass ihnen diese Last von den Schultern genommen und sie den Verursachern auferlegt wird“, so Schulz. Die Verursacher, das sind für Schulz auch die Institutionen, die über ihre Strukturen den Machtmissbrauch fördern und durch ihn profitieren. „Diese Institutionen vertuschen und taktieren, machen sich mit den Tätern gemein und bieten ihnen eine Spielwiese für abnormes Verhalten. Sie machen sich mitschuldig.“ Schulz freut sich darüber, dass ihre Stimme nun Gehör findet. Am Runden Tisch, wo viele Institutionen und Organisationen sitzen, in denen sich Missbrauchsfälle abgespielt haben, glaubt sie, auf offene Ohren gestoßen zu sein. Die Gespräche am Runden Tisch und deren Vorbereitung seien durchweg von Akzeptanz, Anteilnahme und hohem Interesse der Anwesenden geprägt gewesen, so Schulz. Auf lange Sicht sehe sie gute Chancen, dass wichtige Forderungen erfüllt werden könnten. Schulz: „Es kann nicht so schwer sein, das Thema Missbrauch in den Lehrplan der angehenden Ärzte, Juristen oder Pädagogen zu schreiben. Forschungsprojekte, das erweiterte Führungszeugnis, die Heraufsetzung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre und die Koordination der vorhandenen guten Hilfsangebote sollte mittelfristig machbar sein.“ 

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