Fördern und fordern statt strafen
Warnschussarrest als Ergänzung zur Bewährungsstrafe
Therapieangebote sind fester Bestandteil des Jugendarrests
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Seit 2013 gibt es in Deutschland den Warnschussarrest. Das ist eine Form des Jugendarrests, den Gerichte verhängen können, wenn eine Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Warnschussarrest soll straffälligen Jugendlichen das Unrecht ihrer Straftat nachdrücklicher bewusst machen. Kerstin Buckup, die Leiterin der Jugendarrestanstalt Verden, sieht im Warnschussarrest weniger eine abschreckende Maßnahme als vielmehr die Möglichkeit, direkt auf die Jugendlichen einzuwirken, um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben und sie so vor einer kriminellen Karriere zu bewahren.
Optionen für Zukunft entwickeln
Patrick (Name geändert) war 17, als er einen vierwöchigen Warnschussarrest verbüßen musste, den er in Verbindung mit einer einjährigen Jugendstrafe auf Bewährung erhalten hatte. Hintergrund waren Vergehen wie Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Zu Beginn des Arrests fiel Patrick durch Aggressivität und eine totale Verweigerungshaltung auf. Das wirkte so bedrohlich, dass der Jugendliche von allen anderen abgesondert untergebracht werden musste. „Die neue Situation hatte Patrick total überfordert, sodass er mit in Kindheit und Jugend gelernten Mustern reagiert hat, also Aggression und Verweigerung“, erklärt Kerstin Buckup das Verhalten des Jugendlichen. „Neues“ stellte für Patrick zunächst einmal eine Bedrohung dar, denn Stabilität hat er in seiner Kindheit nicht kennengelernt. Die Familiensituation war prekär: Trennung der Eltern, Partnerwechsel, viele Umzüge und finanzielle Probleme. Bereits kurz nach der Geburt fielen Entwicklungsverzögerungen auf. Dazu kamen Zeichen der Vernachlässigung sowie physische und psychische Verletzungen. Ab dem dritten Lebensjahr wurde Patrick durch Jugendhilfeeinrichtungen betreut. Immer wieder kam es wegen seines aggressiven Verhaltens zu stationären Aufenthalten in der Psychiatrie. Zum Zeitpunkt des Arrestantritts hatte er weder einen festen Wohnsitz noch einen Schulabschluss oder ein Einkommen.
„Zunächst einmal mussten wir Vertrauen zu dem Jungen aufbauen“, erzählt Buckup, die von Haus aus Sozialarbeiterin und -pädagogin ist. „Wir haben fortlaufend Gesprächsangebote durch Stationsbedienstete oder dem Sozialen und Psychologischen Dienst gemacht. Schließlich konnte eine Psychologin Zugang zum ihm finden.“ Es hat fast drei Wochen gedauert, bis Patrick bereit war, in Einzelgesprächen über die Ursachen seiner Straffälligkeit, seiner Aggressionen und seiner persönlichen Probleme zu sprechen. Schon während seiner Arrestzeit hat er selber Kontakt zu seiner Bewährungshilfe aufgenommen, dem Ambulantem Justizsozialdienst, um die Weichen für die Zeit nach seiner Entlassung zu stellen. „Natürlich ist es bei Patrick und seinen bisherigen prägenden Lebenserfahrungen schwierig, eine Prognose aufzustellen, wie nachhaltig sich der Arrest auf seinen weiteren Werdegang auswirken wird“, merkt die Anstaltsleiterin nachdenklich an. Aber dieser Fall mache deutlich, worauf es ankommt: „Es geht nicht vorrangig um Strafe, sondern darum, jeden Arrestanten als Individuum zu sehen. Pauschale Rezepte gibt es nicht. Die Jugendlichen müssen da abgeholt werden, wo sie in ihrer Lebenssituation stehen“, meint Buckup. Gemeinsam sollten dann Lösungen für ihre Probleme gesucht und Optionen für die Zukunft entwickelt werden. „Im Idealfall schaffen wir ein Netz, etwa zusammen mit der Bewährungshilfe, dass auch nach dem Arrest den Jugendlichen trägt“, fasst Kerstin Buckup zusammen.
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