Gewaltprävention auf dem Stundenplan
Welche Themen werden in den Klassen denn konkret besprochen?
Die Themen sind nach Klassenstufen orientiert. Klasse fünf startet mit dem Thema „Opfer“. Hier soll den Kindern deutlich gemacht werden, wie man verhindern kann, selbst Opfer zu werden. Wir machen hier natürlich keinen Frontalunterricht, sondern versuchen, die Inhalte möglichst facettenreich zu vermitteln. Die Beamten bekommen Materialien an die Hand, die sie dann flexibel einsetzen können. Manchmal nutzen sie einen aktuellen Zeitungsartikel oder einen Kurzfilm als Einstieg. Man kann in kleinen Gruppen arbeiten oder mit Rollenspielen. In den sechsten Klassen ist dann die große Überschrift „Zeuge und Helfer“. Da werden die Themen „Was ist ein Zeuge?“ oder „Worauf muss ich achten, wenn ich einen Notruf absetze?“ besprochen. Wir rufen dann zusammen mit den Schülern in der Notrufzentrale der Polizei an und spielen einen Notruf durch – natürlich nachdem wir es dort angekündigt haben. Den Kindern soll verdeutlicht werden, dass sie ganz viel machen können, um zu helfen, ohne sich selbst zu gefährden. Es soll eine Kultur des Hinschauens gefördert werden, in der man selbst aktiv wird, wenn andere in Gefahr sind. In Klasse sieben geht es dann um die Themen Gewalt, Umgang mit Gewalt, Verantwortung, Bewaffnung und Notwehr. Waffen spielen in dieser Altersgruppe erfahrungsgemäß eine große Rolle – besonders bei Jungs. Die zentrale Botschaft soll hier sein, dass Waffen einen nur selbst in Gefahr bringen, auch wenn man sie zur Selbstverteidigung bei sich führt. Man muss den Jungs erstmal klar machen, dass sie durch das Tragen von bestimmten Waffen Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten begehen. In der achten Klasse geht es dann um das Thema Strafmündigkeit, Strafrecht, Gerichtsverhandlung, Zivilrecht, also im Prinzip „Folgen von Straftaten“. Dies ist hier wichtig, weil die Jugendlichen in der achten Klasse 14 Jahre alt sind oder werden, also strafmündig. Wir spielen das dann an ganz konkreten Beispielen durch, um zu zeigen, was zum Beispiel die Staatsanwaltschaft genau macht. Ein wichtiges Thema, das über alle Klassenstufen hinweg in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt ist, sind digitale Medien. So spielt vor allem die Handynutzung für die Jugendlichen von heute eine immense Rolle. Es gibt statistisch gesehen fast keinen Jugendlichen mehr, der nicht im Besitz eines Smartphones ist. Und natürlich wird das Smartphone auch als Vehikel zur Begehung von Straftaten genutzt, indem zum Beispiel Bilder verschickt werden, die verbotene Inhalte zeigen. Auch haben sich Beleidigungen und Bedrohung in letzter Zeit immer stärker in den Bereich des Internets verlagert. Deshalb ist es uns wichtig, mit den Schülerinnen und Schülern auch über das Thema Mediensicherheit und Strafbarkeit zu sprechen.
Martin Kobusynski, Koordinator des Präventionsprogramm „Kinder- und Jugenddelinquenz“ bei der Polizei Hamburg
© privat
Was sind Ihre Aufgaben im Rahmen des Präventionsprogramms?
Die sind sehr vielfältig. Zu meinen Aufgaben als Koordinator gehört unter anderem die Kooperation mit der Behörde für Schule und Berufsbildung. Dabei legen wir fest, welche Inhalte die Kolleginnen und Kollegen den Schülerinnen und Schülern überhaupt vermitteln sollen. Unser Curriculum wird regelmäßig aktualisiert und befindet sich bereits in der vierten Version. Außerdem bin ich für die Aus- und Fortbildung der Präventionsbeamten zuständig. In einem fünftägigen Lehrgang erhalten die Kolleginnen und Kollegen nicht nur wichtigen Input zu Methodik, Didaktik und Rhetorik, sondern sie lernen auch, wie sie einen Unterricht lebendig gestalten können. Darüber hinaus liegen die Gestaltung und Weiterentwicklung der Unterrichtsmaterialien sowie das Controlling und die Öffentlichkeitsarbeit in meiner Verantwortung. Bei einigen meiner Aufgaben werde ich von den bezirklichen Jugendbeauftragten unseres Landes unterstützt. Sie sind sozusagen mein verlängerter Arm. Neben der Koordination des Programms unterrichte ich aber auch noch selbst in den Klassen. Denn als Präventionsbeamter war ich schon viele Jahre lang tätig, bevor ich mich auf die Stelle des Koordinators beworben habe. Beide Perspektiven zu haben, finde ich sehr wichtig und wertvoll.
Wie schätzen Sie den Erfolg des Unterrichts ein – und welches Zwischenfazit ziehen sie nach fast 25 Jahren?
Der Präventionsunterricht ist für Polizeibeamte eine wunderbare Chance, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Über die Jahre hinweg hat sich bei den meisten eine wichtige Vertrauensbasis aufgebaut. Das Programm ist für alle Teilnehmenden eine Win-Win-Situation: Zum einen können wir die Botschaften transportieren, die uns am Herzen liegen. Aber wir kriegen auch mit, was die Jugendlichen heutzutage in ihrem Leben bewegt und können uns an ihrem aktuellen Bedarf orientieren. Dass der Unterricht gut bei den Schülerinnen und Schülern ankommt und geschätzt wird, sehen wir unter anderem an der sehr hohen Zufriedenheit in den Feedback-Bögen. Während des coronabedingten Schul-Lockdowns musste zwangsläufig auch unser Präventionsunterricht mehrere Monate lang ruhen. Ich hoffe, dass das in absehbarer Zeit nicht nochmal passiert. Was mich persönlich betrifft, freue ich mich, dass die Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei so ausgezeichnet funktioniert. An meiner Tätigkeit schätze ich auch nach langer Zeit noch, dass ich mich hier kreativ einbringen kann und viel Gestaltungsfreiraum habe. In vier Jahren werde ich in Pension gehen. Bis das so weit ist, würde ich nichts anderes mehr machen wollen.
KF (Stand 26.11.2021)
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