Vorratsdatenspeicherung – ja oder nein?
Notwendiges Ermittlungswerkzeug oder Grundrechtsverletzung
Die Vorratsdatenspeicherung könnte polizeiliche Ermittlungen erleichtern
© vschlichting, fotolia
Seit Jahren wird über die Speicherung von Kommunikationsdaten kontrovers zwischen Politikern, Polizei und Datenschützern diskutiert. Dabei geht es um die Verbindungsdaten wie etwa der IP-Adresse oder des Standorts einer Person, die beim Gebrauch von Kommunikationsgeräten wie Telefonen, Smartphones und Computern entstehen. Datenschützer fürchten um den Verlust von Grundrechten und sehen alle Bürger und Bürgerinnen unter Generalverdacht gestellt, wenn diese Daten anlasslos über einen längeren Zeitraum gespeichert werden. Demgegenüber argumentiert die Polizei, dass sie die Daten dringend benötigt, um effizient in Bereichen wie der Terrorbekämpfung, der organisierten Kriminalität oder der Kinderpornografie ermitteln zu können.
Smarte Technologie schafft gläsernen Bürger
Die Vorratsdatenspeicherung soll Telekommunikationsdienste dazu verpflichten, bestimmte Kommunikationsdaten über alle ihre Kunden für eine gewisse Zeit zu speichern – beispielsweise für mehrere Wochen oder Monate. Konkret werden bei der Vorratsdatenspeicherung keine Inhalte wie beispielsweise Telefongespräche erfasst, sondern nur die Randdaten der Kommunikation: Wer hat mit wem, wie, wann und wie lange kommuniziert? Bereits jetzt speichern die Unternehmen diese Daten kurze Zeit für Vertragszwecke wie etwa die Rechnungsstellung. Dazu kommt, dass immer mehr Geräte „smart“ und damit internetfähig werden. Ob Autos, die über das Handy gesteuert werden, Smart TVs oder Smart-Home-Anwendungen: theoretisch könnten alle Informationen, die durch diese Apps generiert werden, zusammen mit den Daten von Smartphones, Computern oder Tablets von der Vorratsdatenspeicherung betroffen sein. Datenschützer befürchten, dass bei einer Zusammenführung all dieser Daten die Lebensweise einer Person und nahezu alle ihre Tätigkeiten umfassend nachvollzogen werden können. Die rechtliche Regelung der Vorratsdatenspeicherung wird damit für den Gesetzgeber zu einer heiklen und komplizierten Angelegenheit. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits 2016 in einer Grundsatzentscheidung eine allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung für nicht vereinbar mit europäischen Grundrechten erklärt. Diese Haltung wurde vom EuGH im Oktober 2020 noch einmal bekräftigt. Für die Gesetzgebung besteht die Herausforderung nun darin, den Datenschutz mit den Erfordernissen einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung in Einklang zu bringen.
Europäischer Gerichtshof setzt enge Grenzen
Ein verdachtsunabhängiges Speichern von personenbezogenen Daten gilt als rückwirkende Überwachungsmaßnahme und wird vom EuGH daher als ein starker Eingriff in die Grundrechte der Bürger gesehen. Grundsätzlich bleibt damit die Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union verboten, doch unter ganz bestimmten, streng definierten Voraussetzungen wie zum Beispiel einer gegenwärtigen oder bevorstehenden Bedrohung der nationalen Sicherheit ist sie ausnahmsweise in vollem Umfang möglich. Das gilt sowohl für die Bekämpfung von Terrorismus als auch von schwerer beziehungsweise organisierter Kriminalität. Die Bevorratung und die Übermittlung der Daten von privaten Internetanbietern an die Sicherheitsbehörden darf dann für einen begrenzten Zeitraum in genau definierten Grenzen durchgeführt werden. Das es sich laut EuGH um einen Grundrechtseingriff handelt, muss dieser auch einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Bei konkretem Terrorverdacht dürfen sogar Echtzeit-Daten nach vorheriger Prüfung durch ein Gericht ausgewertet werden.
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