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Polizei nutzt KI-Lösung zum Crowd-Management

Die Fußball-EM 2024 in Deutschland soll sicher und friedlich ablaufen. Trotzdem können unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die etwa die Räumung eines Stadions nötig machen. Dafür müssen die Fluchtwege im Voraus so berechnet werden, dass die Menschen dann gefahrlos den Weg ins Freie finden. Die Polizei nennt dieses Phänomen „Entfluchtung“. Dafür setzt sie an allen Spielorten der EM die KI-Software „Escape Pro“ ein. Dahinter steckt eine Software zur Steuerung der Bewegung von größeren Menschenmengen (Crowd Simulation).

„Escape Pro“ kommt erstmals bei der Fußball-EM 2024 zum Einsatz


Das Verhalten von Menschenmengen ist schwer vorauszusagen

© Treborik ART / stock.adobe.com

 

Die Fußball-EM 2024 in Deutschland soll sicher und friedlich ablaufen. Trotzdem können unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die etwa die Räumung eines Stadions nötig machen. Dafür müssen die Fluchtwege im Voraus so berechnet werden, dass die Menschen dann gefahrlos den Weg ins Freie finden. Die Polizei nennt dieses Phänomen „Entfluchtung“. Dafür setzt sie an allen Spielorten der EM die KI-Software „Escape Pro“ ein. Dahinter steckt eine Software zur Steuerung der Bewegung von größeren Menschenmengen (Crowd Simulation).

Forschungsprojekt mit Vorgeschichte

Das polizeiliche Forschungsprojekt Escape zur „multiskalaren mikroskopischen Simulation von Besucherströmen“ hat von 2020 bis 2022 die Grundlagen geschaffen. Dabei wurde die softwaregesteuerte Erfassung von Besucherströmen theoretisch auf dem Bildschirm durchgespielt. Das Folgeprojekt Escape Pro, das vom Bundesforschungsministerium mit rund einer Million Euro unterstützt wird, schlägt nun die Brücke in die Praxis. „Wir simulieren, wie Menschen bei einer Räumung am schnellsten von dem Veranstaltungsgelände kommen," erklärt Projektleiter Carsten Höfeler vom Polizeipräsidium Stuttgart. Bei der Fußball-Europameisterschaft im Juni und Juli 2024 in Deutschland werden für alle zehn Spielorte Personenstromsimulationen erstellt. Deren Ergebnisse fließen in die Einsatzplanung der Polizei ein. Die Software ist anwenderfreundlich und praxistauglich. Das wurde in den vergangenen Jahren durch die Arbeit im Vorgängerprojekt erreicht. Nun steht sie erstmals unter realistischen polizeilichen Einsatzbedingungen auf dem Prüfstand. Die Initiatoren des Projekts, allen voran das Polizeipräsidium Stuttgart und Projektleiter Carsten Höfeler, denken aber bereits weiter: Die Erfahrungen rund um das Fußball-Großereignis sollen auch für den Einsatz bei anderen Großveranstaltungen genutzt werden. Das Team will sein Fachwissen zur Leistungsfähigkeit, zu den Systemvoraussetzungen und dem Personalbedarf sowie zu den Anwendungsmöglichkeiten der Software mit anderen Polizeikräften teilen.

Escape Pro - Detailansicht Berlin Loolapalooza

© Polizei Baden-Württemberg

KI-gestützte Videoanalyse

Die Analyse großer Veranstaltungsflächen ist bis jetzt nur eingeschränkt möglich. Carsten Höfeler: „Die Berechnung der Schrittgeschwindigkeit, die Betrachtung der baulichen und topografischen Gegebenheiten und die Raum-Zeitanalyse kann kein Mensch kognitiv leisten. Deshalb brauchen wir Escape Pro.“ Escape Pro ist eine auf den Bedarf der Polizei zugeschnittene Weiterentwicklung der Simulationssoftware „crowd:it“ der accu:rate GmbH aus München. Die Software kann nur dort zum Einsatz kommen, wo viele Überwachungskameras installiert sind, die den gesamten infrage kommenden Bereich erfassen. Man kann auf dem Bildschirm Linien definieren und die Software erfasst dann alle Menschen, die diese Linie in die eine oder andere Richtung überschreiten. Man kann aber auch einen Bereich markieren und die Software gibt dann darüber Auskunft, wie viele Menschen sich darin befinden und wie viele gerade herein- oder herausgehen. Das wird interessant, wenn man die Veränderungen erfasst, die entstehen, wenn beispielweise ein Fahrzeug in diesen markierten Bereich hereinfährt. Die AI-gestützte Videoanalyse errechnet nicht nur in Echtzeit Daten wie die Dichte der Menschenmenge pro Quadratmeter, die Durchflussrate und die Geschwindigkeit der Menschen, die sich dort bewegen. Sie löst auch einen Alarm aus, wenn diese Daten ungewöhnlich werden, und zwar schon bevor eine Situation aus dem Ruder läuft. Carsten Höfeler fasst es so zusammen: „Wenn uns die Simulationssoftware aufzeigt, wie im Ernstfall Personenströme verlaufen, wissen wir, welche Wege wir im Ernstfall gehen müssen, um schnellstmöglich am Einsatzort einzutreffen.“

Positive Effekte für die polizeiliche Arbeit

Die Polizei verspricht sich gleich ein ganzes Bündel von Vorteilen durch den Einsatz von Escape Pro bei der Fußball-EM 2024: Die Einsatzkräfte können in den als Fluchtweg vorgesehenen Räumen taktisch günstig positioniert werden, damit sie im Falle eines Einschreitens möglichst wenig mit den Personenströmen kollidieren. Außerdem können die Anfahrtswege und Kräftesammelstellen bzw. Aufstellungsflächen vorausschauend sinnvoll festgelegt werden, ohne dass Fluchtwege beeinträchtigt werden. Carsten Höfeler erklärt die Vorteile der Software: „Stelle ich an bestimmten Stellen mehr Einsatzkräfte bereit? Auf welchen Wegen kann ich Einsatzkräfte schnell an den Einsatzort bringen, ohne selbst im Stau zu stehen? Das sind alles Informationen, die wir früher nie hatten.“ Es gibt noch weitere Vorteile: Die Wechselwirkungen der Personenströme mit denen umliegender öffentlicher Räume oder von parallelen Veranstaltungen können genau vorhergesagt und ebenfalls in die Einsatzplanung einbezogen werden. Auch kann man dank der KI-gestützten Software jetzt viel genauer als bislang sagen, wie lang die Räumung eines Stadions dauern wird. Auch das erleichtert eine realistische und gute Einsatzplanung. Schließlich wird die Polizei aus jedem Einsatz von Escape Pro etwas zur Lenkung von Personenströmen lernen. Eine Einschränkung machen die Projektverantwortlichen aber: Escape Pro kann noch nicht präzise voraussehen, wie Menschen sich bei Panik verhalten werden. So weit ist die Wissenschaft noch nicht. Doch die Software gibt der Polizei alle Mittel an die Hand, um für eine solche Situation in Bezug auf die Fluchtwege bestmöglich vorzuplanen.

WL (19.04.2024)

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