Gewalt gegen Polizeikräfte
„Nie war es so gefährlich, Polizist oder Polizistin zu sein“
Rund 75 Prozent der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten passiert im täglichen Einsatzdienst
© Andrey Popov/stock.adobe.com
Gewalt ist ein ständiger Begleiter im Berufsalltag von Polizistinnen und Polizisten. Dabei werden sie auch immer häufiger selbst zum Opfer. Die Angriffe reichen von Beleidigungen über einfache und schwere Körperverletzungen bis zu Tötungsdelikten. Im Februar 2023 gingen vor einer Diskothek in Trier 40 Menschen mit Flaschen und Holzstöcken auf Polizisten los, fünf Beamte wurden bei dem Einsatz verletzt. Gleichermaßen betroffen sind andere Einsatzkräfte wie beispielsweise Rettungssanitäter oder auch Amtspersonen, etwa Angestellte in Jobcentern oder Ordnungsämtern. In der Silvesternacht 2022/23 sind in mehreren deutschen Städten Einsatz- und Rettungskräfte bei ihrer Arbeit mit Böllern und Raketen angegriffen worden. Besonders viele Attacken erlebten Polizei, Feuerwehr und Sanitäter in Berlin. Allein in der Hauptstadt gab es mehr als 30 verletzte Einsatzkräfte und mehr als hundert Festnahmen. Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), erklärt, welche Ursachen und Auswirkungen die zunehmende Respektlosigkeit hat und wo Betroffene Unterstützung finden.
Im Paragraph 114 „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ des Strafgesetzbuchs (StGB) werden tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte seit 2017 gesondert unter Strafe gestellt. Der Straftatbestand gilt unabhängig davon, ob der Angriff während einer Amtshandlung oder anlasslos geschieht. Das Gesetz sieht Haftstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
Gewalt beginnt bei der Beleidigung
Respektlosigkeit und Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Das Bundeslagebild „Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten“ verzeichnet im Jahr 2021 insgesamt 39.649 bekannt gewordene Fälle. Was kaum jemand vermuten würde: Rund 75 Prozent der Gewalt und Respektlosigkeit gegen Polizistinnen und Polizisten passiert im täglichen Einsatzdienst von Streifenbeamten, etwa bei Verkehrskontrollen, Unfallaufnahmen, Identitätsfeststellungen oder der bloßen Aufklärung von Sachverhalten. Während zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte bereits seit Jahren ein Thema ist, habe man es immer mehr mit gruppendynamischen Prozessen und somit mit einem veränderten Gewaltbild zu tun. „Die Gewalt Einzelner überträgt sich zunehmend auf ganze Gruppen und eine Vielzahl an Tätern“, erklärt Jochen Kopelke. Diese Gewalt beginnt bereits bei aggressiven Äußerungen wie Pöbeleien und Beleidigungen. Sind die betroffenen Personen trotz Bemühungen der Einsatzkräfte uneinsichtig, steigert sich die Aggressivität nicht selten bis hin zu körperlichen Angriffen wie Faustschlägen ins Gesicht oder Tritten in die Magengegend. Im Extremfall führen die Übergriffe zu ernsthaften Verletzungen, die längere Krankschreibungen und Dienstausfälle zur Folge haben. Dazu zählen unter anderem gebrochene Nasenbeine oder gebrochene Rippen. Von solchen Gewalttaten sind alle betroffen – egal ob männliche oder weibliche Polizeibeamte. Sie alle erleben dieselbe Verrohung mit der gleichen Intensität und den gleichen Herausforderungen.
Die GdP-Präventionskampagne „100fuer100“ setzt sich für mehr Respekt im Umgang mit den polizeilichen Einsatzkräften aus. Sie fordert von der Politik, dass sich dieser Respekt nicht in Reden erschöpft, sondern von konkretem Handeln begleitet wird. Eine Öffentlichkeitskampagne stellt mit Großflächenplakaten und einer Kampagnenwebsite das hundertprozentige Engagement von Polizeibediensteten anhand persönlicher Beispiele heraus. Dazu gehören Polizistinnen und Polizisten in den verschiedensten Funktionen, aber auch Tarifangestellte im Polizeidienst. Mehr Infos unter www.100fuer100.de.
Die Polizei als Feindbild
Doch weshalb werden Polizeikräfte und andere Ordnungshüter von der Bevölkerung nicht mehr so ernst genommen wie früher? „Die Hemmschwelle, auf Polizisten loszugehen, ist deutlich gesunken“, bestätigt Jochen Kopelke. Das liege zu einem großen Teil an der geänderten Sichtweise und Wut auf den Staat als Ganzes. Es gehe immer mehr um die Verwirklichung der eigenen Interessen – egal, ob sie den moralischen Sitten der Gesellschaft entsprechen oder nicht. Einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung hat auch das digitale Zeitalter bzw. die Anonymität in sozialen Netzwerken. Denn im Internet verwenden Bürgerinnen und Bürger eine deutlich radikalere Sprache, die auf den alltäglichen Umgang abfärbt. Auf diese Weise übertragen sich Hass und Hetze gegen Polizeibeamte und den Staat von Online-Plattformen auch auf die Offline-Welt. „Wir stellen fest, dass insbesondere Beleidigungen, abwertendes Verhalten und auch Respektlosigkeit im Internet beginnen, etwa über Begriffskürzel wie A.C.A.B („All Cops Are Bastards) oder A.C.A.T. („All Cops Are Targets“), und immer häufiger in die reale Welt hinüberschwappen“, so Jochen Kopelke. „An den Einsatzorten denken die Menschen dann – ähnlich wie im Internet – überhaupt nicht mehr nach, wem sie da gegenüberstehen, und wie sie sich eigentlich korrekt verhalten. Wir gehen außerdem stark davon aus, dass es nicht nur Uniformträgern so geht, sondern sich diese Entwicklung durch die gesamte Gesellschaft zieht.“
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