Fast täglich wird ein Geldautomat zerstört
Schutzsysteme müssen Tätern die Arbeit erschweren
Im Jahr 2022 wurden so viele Geldautomaten gesprengt wie noch nie
© Balint Radu/stock.adobe.com
Die Zahl gesprengter Geldautomaten hat in Deutschland in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Täter stammen aus organisierten Banden und agieren oft derart schnell, dass es für die Polizei äußerst schwierig ist, sie bei der Tat zu erwischen. Die Beutesummen und die Sachschäden, die durch diese Taten begangen werden, liegen im Bereich von mehreren Millionen Euro. Da durch die Sprengungen außerdem Menschenleben gefährdet werden, sollen Banken mithilfe von Gesetzen zu Sicherheitssystemen gezwungen werden.
„Audi-Bande“ aus den Niederlanden
Die Fallzahlen der Geldautomatensprengungen in Deutschland bleiben auf einem hohen Niveau. So gab es im Jahr 2022 insgesamt 493 verzeichnete Fälle – und damit einen neuen Höchststand. Für das Jahr 2023 wird ein erneuter Anstieg erwartet. Die Täter schlagen besonders häufig in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu. Das liegt an der Nähe zur niederländischen Grenze. Die deutsche Staatsanwaltschaft vermutet, dass hinter den meisten Taten eine Bande aus den Niederlanden steckt, die aus mehreren hundert marokkanischen Einwanderern bestehen soll. Da Geldautomaten in den Niederlanden aufgrund einer geringeren Nachfrage in der Regel mit weniger Bargeld bestückt sind, ist es für die Verbrecherbande lukrativer, nach Deutschland zu kommen. Die Täter sollen überwiegend männlich sein, zwischen 18 und 35 Jahre alt und vorwiegend in Utrecht, Rotterdam und Amsterdam leben. In den Medien ist auch von der sogenannten „Audi-Bande“ die Rede, weil die jungen Männer nach den Geldautomatenüberfällen häufig mit hochmotorisierten gestohlenen Audis zurück über die Grenze flüchten. „Sie sind oftmals sehr polizeierfahren, reagieren sensibel auf verdeckte polizeiliche Maßnahmen und lernen ständig dazu“, erklärt das Landeskriminalamt (LKA) in NRW.
Blitz-Knall-Körper statt Gas
Bis vor wenigen Jahren wurden hauptsächlich Gasgemische zur Sprengung von Bankautomaten verwendet. Als Reaktion auf diese Vorgehensweise haben Banken jedoch zunehmend Systeme zur Neutralisierung von Gas in ihre Automaten eingebaut. Deshalb steigen die Täter vermehrt auf feste Sprengstoffe, sogenannte „Blitz-Knall-Körper“, um – und nehmen damit verheerende Folgen in Kauf. Denn die Festsprengstoffe verursachen häufig noch verheerendere Schäden an Gebäuden und Umgebung als Gas. Das BKA spricht für das Jahr 2021 von Begleitschäden im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Darüber hinaus sind Geldautomatensprengungen – vor allem, wenn feste Explosivstoffe eingesetzt werden – hochgefährlich und haben das Potenzial, Menschen zu verletzen oder sogar zu töten. Laut NRW-Innenminister Herbert Reul sei es „pures Glück“, dass bei den Sprengungen bisher noch kein Mensch ums Leben gekommen sei – nicht zuletzt, weil die Automaten häufig in oder in der Nähe von Wohngebäuden untergebracht sind.
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Nach ihren Taten flüchten die Täter mit PS-starken Fahrzeugen in die Niederlande
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Sicherungssysteme wirken nur begrenzt
Viele der Präventionsvorkehrungen zur Sicherung der Geldautomaten zeigen in Deutschland bislang nur eine begrenzte Wirkung. Vor allem der Einsatz von Farbe, der die Geldnoten bei einem Angriff verschmutzt, ist für die Täter kein Hinderungsgrund. Denn für die verfärbten Scheine haben die Täter im osteuropäischen Ausland Abnehmer gefunden, die diese zum halben Preis aufkaufen. Zudem sind die Farbsicherungssysteme meistens nicht auf Angriffe mit festem Sprengstoff, sondern auf Angriffe mit Gas ausgelegt. Hinzu kommt, dass diese Systeme bislang ohnehin nur in verhältnismäßig wenigen Automaten in Deutschland verbaut sind. Manche Banken schützen ihre Automaten stattdessen, indem dort nachts kein Bargeld mehr gezogen werden kann, oder lassen ihre Automaten vom Werksschutz videoüberwachen. Sollte es dennoch einen Einbruch geben, kann der Geldautomaten-Raum komplett vernebelt werden. Das macht es den Tätern zwar schwerer, könne eine Sprengung nach Angaben des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe, der in NRW rund 2.000 Geldautomaten betreibt, dennoch nicht zu einhundert Prozent verhindern. In den Niederlanden und anderen europäischen Ländern kommt ein Sicherheitssystem zum Einsatz, dass die Banknoten bei Auslösung einer Sprengung noch in der Geldkassette zu einem festen Klotz verklebt und dadurch unbrauchbar macht. In Deutschland wird diese Technik aus versicherungstechnischen Gründen noch nicht eingesetzt.
Banken stärker in die Pflicht nehmen
Aufgrund der starken Zunahme von Automatensprengungen hatte sich erst im November 2022 das Bundesinnenministerium mit der Deutschen Kreditwirtschaft zu einem Runden Tisch getroffen und dabei freiwillige Sicherheitsmaßnahmen vereinbart. Bisher reagieren viele Banken jedoch nur zögerlich – unter anderem, weil sie in die kostspielige Sicherheitstechnik selbst investieren müssen. Die Politik forderte die Deutsche Kreditwirtschaft deshalb immer eindringlicher dazu auf, zu handeln. So kündigte unter anderem Niedersachsens Justizministerin Katrin Wahlmann bereits an: „Wenn wir sehen, dass da nichts passiert, dann werde ich eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, um die Banken gesetzlich in die Verpflichtung zu nehmen, entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu schaffen.“ Weiter sagt sie: „Die niedersächsische Justiz wird sich nicht vertrösten lassen auf weitere Runde Tische.“ Mit Blick auf Nachbarländer, die diese Form der Kriminalität weitgehend gestoppt haben, finde sie es „persönlich unglaublich, dass ein Nachbarland es schafft, das Phänomen komplett zu beenden durch relativ einfache Maßnahmen – und Niedersachsen oder auch Deutschland insgesamt das noch nicht geschafft hat“. Auch das Bundesinnenministerium hält gesetzliche Verpflichtungen der Geldautomatenbetreiber für erforderlich, sollte die Umsetzung der neuen freiwilligen Ansätze nicht ausreichen.
KF (Stand 31.03.2023)
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