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12.01.2012

Institutionen müssen sexuellem Missbrauch vorbeugen

Tabus brechen, offene Atmosphäre schaffen

 

Sexueller Missbrauch ist häufig immer noch ein Tabuthema

© Piotr Kozikowski, fotolia

 

Thomas Schlingmann ist Experte der Beratungsstelle Tauwetter e. V. in Berlin. Er betreut Männer, die als Jungen sexuell missbraucht wurden. Im Interview spricht er über den Missbrauch in Institutionen und was sich ändern muss, damit man diesen verhindern kann.

Herr Schlingmann, wie ist der Gedanke entstanden, eine Beratungsstelle speziell für missbrauchte Männer zu gründen?

Der Tauwetter e. V. ist 1995 aus einer Selbsthilfegruppe für Männer entstanden, die als Kinder sexuell missbraucht wurden. An diese Gruppe kamen immer wieder Anfragen von anderen Männern, die mitmachen wollten, weil sie sich mit ihren Problemen nirgendwo anders gut aufgehoben fühlten. Das hat uns gezeigt: Hier ist Bedarf! Wir haben dann sehr klein angefangen und das, was wir selber an Erfahrungen in der Auseinandersetzung innerhalb der Gruppe gemacht und gelernt haben, an andere weitergegeben. Im Laufe der letzen 15 Jahre sind wir gewachsen, allerdings sind wir bis heute leider die einzige Stelle, die in dieser Form auf die Peer-Beratung von Männern spezialisiert ist.

Wie schwer fällt es insbesondere Männern, sich gegenüber anderen als Missbrauchsopfer zu erkennen zu geben?

Das fällt ihnen schon sehr schwer. Die Betroffenen fürchten eine gesellschaftliche Stigmatisierung und haben massive Zweifel an ihrer Geschlechtsidentität. Es ist auch heute noch so, dass ein Mann erfolgreich und durchsetzungsfähig sein muss. Ein missbrauchter Mann passt da nicht ins Bild. Was bin ich denn für ein Mann, wenn mir so etwas passiert ist? Das ist es, was insbesondere viele junge Männer erstmal dazu bringt, zu schweigen. Mal ganz abgesehen von materieller Abhängigkeit, Angst und Scham – lauter Dinge, die auch von missbrauchten Mädchen erlebt werden. Den Schritt aus dieser Notlage heraus zu machen und über das Erlebte zu sprechen, kostet Kraft und dauert seine Zeit. 

Was sind denn Ihre konkreten Forderungen an die Politik?

Als erstes brauchen wir ein flächendeckendes Unterstützungsnetz mit mehr und stärker spezialisierten Beratungsstellen. Einfach deshalb, weil momentan sehr viel über Prävention geredet wird, was gut und richtig ist, aber das hilft den derzeit Betroffenen überhaupt nicht. Institutionelle Prävention, die verhindert, dass es zu Missbrauch kommt, ist aber der zweite wichtige Punkt. Die Erwachsenen müssen hier in die Pflicht genommen werden. Es müssen Räume geschaffen werden, die Kindern die Möglichkeit geben, zu sagen: „Hier ist irgendetwas komisch“. Als drittes kommt man dann in den Bereich des Opferschutzes. Dieser muss verbessert werden. Es darf beispielsweise nicht sein, dass missbrauchte Kinder fünfmal in einem Verfahren aussagen müssen und so fast schon zwangsläufig re-traumatisiert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt sind angemessene Entschädigungen. Hier geht es um die unterschiedlichen Haftungs- und Schadensersatzansprüche, und zwar knallhart nach dem Bürgerlichen Recht – und nicht um eine symbolische Anerkennung, wie sich das die Kircheninstitutionen nach den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen vorstellen. 

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