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04.04.2019

„Reichsbürger“ im Fokus

Reichsbürger

Konsequente Strafverfolgung, mehr Prävention


„Reichsbürger“ erkennen Deutschland nicht als souveränen Staat an

© bluedesign/adobe.stock.com

 

So genannte „Reichsbürger“ geraten immer wieder in die Schlagzeilen. Einer der schwerwiegendsten Vorfälle: Im Oktober 2016 erschoss ein „Reichsbürger“ einen SEK-Beamten und verletzte zwei weitere schwer. Die Beamten sollten rund dreißig Waffen im Haus des Hobby-Jägers beschlagnahmen. Der Täter wurde anschließend zu lebenslanger Haft verurteilt. Wie sind die selbsternannten „Reichsbürger“ einzuschätzen? Welche Gefahr geht von ihnen aus? Und wie kann man einer Radikalisierung entgegenwirken? Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Andreas Vollmer. Er ist stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Bayern und beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz tätig.

Mitläufer oder gewaltbereite Anhänger?

In Deutschland lassen sich rund 19.000 Personen der „Reichsbürger“-Szene zuordnen. Dabei handelt es sich aber nur um die Personen, die den Sicherheitsbehörden bekannt geworden sind. Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl weitaus höher sein könnte – Schätzungen gehen von bis zu 40.000 „Reichsbürgern“ aus. „Die Szene setzt sich sehr unterschiedlich zusammen.

Welche Ideologien „Reichsbürger“ verfolgen sowie Tipps für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden im Umgang mit ihnen gibt es im PolizeiDeinPartner-Artikel „Deutschland, nein danke?“.

Man muss differenzieren zwischen Mitläufern und dem harten Kern. Außerdem gibt es noch die Personen, die aus dem Ganzen ein Geschäftsmodell gemacht haben und vor allem Geld verdienen wollen – etwa, indem sie Seminare geben oder „Reichsbürger“-Utensilien vertreiben, wie etwa selbst erstellte Ausweise oder Führerscheine“, erklärt Vollmer. Den größten Teil machen die Mitläufer aus. Sie fallen etwa durch einschlägige Schreiben bei den Behörden auf, etwa, weil sie sich weigern, GEZ-Gebühren oder Bußgelder zu bezahlen. „Wir stellen außerdem immer wieder fest, dass es sich bei vielen Anhängern um psychisch labile Personen handelt, die zum Beispiel persönliche Schicksalsschläge verarbeiten mussten, in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt oder gar obdachlos sind. Indem sie sich den „Reichsbürgern“ zuwenden, erfahren diese Menschen eine Aufwertung: Man ist plötzlich wieder jemand, es wird einem zugehört und das Gedankengut geteilt“, weiß der Experte. Der harte Kern der „Reichsbürger“ macht etwa zehn Prozent, nach Behördeneinschätzung also rund 1.900 Personen aus. Sie sind von der Ideologie überzeugt und vertreten diese vehement. Vollmer: „Diese Aktivisten sind als unberechenbar und gefährlich einzustufen. Man muss davon ausgehen, dass sie bereit sind, Gewalt anzuwenden, um ihre Ansichten zu verteidigen.“

Verfassungsschutzexperte Dr. Andreas Vollmer

Stellvertretender Landesvorsitzender der GdP in Bayern, © GdP

Im Fokus: Gerichtsvollzieher und Polizeikräfte

Die Polizei ist für die Szene ein besonderes Feindbild. Die Beamtinnen und Beamten vertreten den Staat und sind befugt, das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen. In den Augen der „Reichsbürger“ sind Polizeikräfte jedoch lediglich für die „BRD-GmbH“ tätig, wie sie Deutschland bezeichnen. Deren Weisung unterliegt aus ihrer Sicht daher nur das „BRD-Personal“, also alle anderen Bürgerinnen und Bürger, nicht aber sie selbst. Dementsprechend sind Polizeikräfte besonders gefährdet, bei Konflikten angegriffen zu werden. Doch auch Gerichtsvollzieher geraten immer wieder mit „Reichsbürgern“ aneinander. „Versuchen diese nicht gezahlte Steuern, Abgaben oder Bußgelder einzutreiben, kommt es oft zu besonderen Bedrohungsszenarien“, erklärt Vollmer. Gefährdet sind außerdem Bedienstete der Sozialverwaltung, etwa Betreuende von Hartz-IV-Berechtigten. Manche „Reichsbürger“ sind der Meinung, dass sie Unterhalt nach der „Haager Landkriegsordnung“ bekommen müssten. „Sie leiten daraus ab, dass sie als Kriegsgefangene im Besatzungsstaat wie einfache Berufssoldaten bezahlt werden müssen – eine deutlich höhere Summe als der Hartz-IV-Satz.“

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