Medien- und Internetsucht
Der kurze Weg ins Netz
Mit zunehmendem Alter nimmt die elterliche Kontrolle der Mediennutzung ab. Neun von zehn Jugendlichen in Deutschland haben heute die Möglichkeit, vom eigenen Zimmer aus mit einem Tablet, Laptop oder PC auf das Internet zuzugreifen. So gut wie jeder 12- bis 19-Jährige besitzt zudem ein Smartphone. Dadurch ist das Internet immer und überall griffbereit. Die Folge: Die Zahl internetsüchtiger Jugendlicher und junger Erwachsener steigt seit Jahren an. Experten gehen mittlerweile von 600.000 Betroffenen aus. Ihr Leidensdruck kann sehr groß werden, wie Reckert weiß: „Eine ausgeprägte Internetsucht macht lebensunfähig. Auch offline denkt man ständig an die letzte oder an die nächste Internetnutzung.“ Wer süchtig ist, kann nicht mehr steuern, wie viel Zeit er im Netz verbringt. Darunter leiden auch die sozialen Beziehungen und die psychische Gesundheit. „Internetsüchtige Jugendliche berichten von Schlaf- und Konzentrationsproblemen, aber auch von depressiven Störungen und sozialen Ängsten. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sie sich ständig medial darstellen und vergleichen müssen“, so der Mediziner. Auch Übergewicht ist eine Folge: „Werden während des Essens Medien konsumiert, merkt man nicht, dass man satt ist. Isst man dann auch noch hastig und schnell, verstärkt das die Gefahr von Übergewicht.“
Anzeichen für eine Internetsucht:
- Zwanghafter, ständiger Nutzungsdrang
- Konsumeinschränkung nicht möglich
- Rückzug aus dem Sozialleben
- Nachlassende Leistungsfähigkeit (z. B. Schule, Arbeit)
- Reizbarkeit/ Niedergeschlagenheit, wenn keine Nutzung möglich
- Verheimlichen/
Herunterspielen des Ausmaßes
Internetsucht therapieren
Wie bei einer Drogen- oder Alkoholsucht lässt sich eine ausgeprägte Internetsucht in der Regel nur mit therapeutischer Hilfe behandeln. Voraussetzung ist, dass der Betroffene die Abhängigkeit anerkennt. Bei der Therapie wird beispielsweise gelernt, bestimmte Internetseiten zu meiden und den Konsum schrittweise zu reduzieren. Zudem wird daran gearbeitet, Alternativen zu finden, wie den Kontakt zu Freunden und vernachlässigte Hobbys wieder zu pflegen. „Besteht eine Selbst- oder Fremdgefährdung, beispielsweise weil man zu essen vergisst oder man seine Mitmenschen verletzt, weil sie den Konsum einschränken möchten, kann ein stationärer Aufenthalt in einer spezialisierten Klinik notwendig werden“, weiß Till Reckert aus seiner beruflichen Praxis.
Präventive Ansätze
Um eine frühe Abhängigkeit sowie eine Entwicklungsstörung durch den Medienkonsum zu vermeiden, sollten Eltern Bildschirmmedien nicht als Babysitter missbrauchen, mahnt der Kinder- und Jugendarzt. Seiner Erfahrung nach kann Langeweile Kindern in bestimmtem Umfang gut tun: „Dann beginnen sie, sich etwas einfallen zu lassen und die Welt und sich selbst auf eigenen Wegen zu entdecken.“ Zudem sollten Kinder nicht zu früh mit dem Fernseher konfrontiert werden. „In einem Zimmer, in dem ein Fernseher läuft, wird nur noch halb so viel gesprochen. Menschliche Sprache entwickeln Kinder aber in der direkten Begegnung zwischen sprechenden Menschen und nicht durch Apparate, die so tun, als würden sie sprechen. Mit dem Ausmaß des Konsums steigt das Risiko für Sprachentwicklungsstörungen.“ Mittlerweile stehen Eltern, Lehrern und Betroffenen zahlreiche Beratungsangebote zur Verfügung, wie das Programm „Ins Netz gehen“ der BZgA. Das dazugehörige Multiplikatorenportal bietet eine individuelle Beratung per E-Mail für Mütter und Väter sowie pädagogische Fachkräfte. Weitere Informationen zur verantwortungsvollen Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen finden sich auch auf PolizeiDeinPartner.
MW (29.09.2017)
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