Wenn es ganz gefährlich wird, kommt das SEK
Die Arbeit der Spezialeinsatzkommandos der Polizei
Die Ausrüstung, die die SEK-Kräfte tragen, ist rund 25 Kilo schwer
© NEWS&ART, fotolia
Geiselnahme, Terror, Erpressung, Suizidversuch oder Amoklauf: Es gibt einige Situationen, in denen die Polizeibeamten im normalen Streifendienst spezielle Verstärkung brauchen. In solchen Fällen wird ein Spezialeinsatzkommando (SEK) hinzugezogen. Diese Spezialeinheit der Polizei gibt es in allen Bundesländern sowie beim Bund. Die speziell geschulten und trainierten Beamten des SEK stürmen Häuser, führen Verhandlungen, beobachten Verdächtige und schützen Zeugen.
Arbeit und Ausrüstung des SEK
Die Arbeit bei einem Spezialeinsatzkommando ist physisch und psychisch anstrengend, zeitintensiv und mitunter lebensgefährlich. Dennoch mangelt es nicht an Nachwuchs. Die Mitglieder eines SEK sind speziell ausgebildete und intensiv trainierte Polizisten, die ein anspruchsvolles Auswahlverfahren bestehen mussten, um in die Einheit aufgenommen zu werden. Wer einmal versucht, mit einem 25 Kilo schweren Rucksack bepackt zu rennen oder eine Stunde in der Hocke auszuharren, der erhält einen Eindruck von den Anforderungen an einen Beamten des SEK. Die Ausrüstung von SEK-Kräften besteht aus kugelsicheren Westen, Kettenhemden zum Schutz vor Messerattacken, Sturmmasken, Helmen und Pistolen, Maschinengewehren oder Präzisionsgewehren. In der Regel sind die Männer maskiert, um sich und ihre Familien zum Beispiel vor Racheakten zu schützen. Das SEK besteht aus verschiedenen Spezialgruppen. Nur in Ausnahmefällen wie etwa bei Großrazzien rückt das gesamte SEK aus. Neben Zugriffen im Bereich des Rauschgift- und Waffenhandels wird ein Spezialeinsatzkommando auch zur Bewältigung von gewalttätigen Demonstrationen oder zur Festnahme von bewaffneten Personen eingesetzt. Es ist bei Geiselnahmen, Entführungen, Erpressungen sowie in der Terrorismusbekämpfung im Einsatz. Neben schneller Hilfe in gefährlichen Situationen sind die SEK-Kräfte auch präventiv tätig: Sie observieren Verdächtige, schützen hochrangige Staatsbesucher, begleiten Gefangenentransporte und retten gefährdete Menschenleben, etwa bei Suizidversuchen.
Aktuelle SEK-Einsätze
Dramatische Fälle, bei denen Spezialeinsatzkommandos hinzugezogen werden, gibt es bundesweit immer wieder. Dabei begeben sich die SEK-Mitglieder in lebensgefährliche Situation, wie beispielsweise im März 2023, als es um die Entwaffnung eines schwer bewaffneten Mitglieds der sogenannten Reuß-Gruppe in Reutlingen ging. Er hatte die Beamten bereits erwartet und verletzte bei einem Schusswechsel zwei von ihnen, davon einen schwer. Er schoss unter anderem durch eine geschlossene Zimmertür auf die SEK-Einsatzkräfte. Im Juni 2024 startete der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.
Mitte Juni 2024 waren rund 100 Personen, darunter zahlreiche SEK-Kräfte, an einer Razzia beteiligt. Sie durchsuchten 15 Wohnungen in mehreren Orten in Niedersachen und NRW. Im Fokus standen 12 Mitglieder einer Drogenbande. In Salzgitter entdeckten die Einsatzkräfte eine Cannabis-Plantage, Waffenmunition, mehr als 10.000 Euro Bargeld und mehrere Luxusuhren. In Espelkamp fand die Polizei eine zweite Cannabis-Plantage. Neben Drogen spielten auch Kriegswaffen eine Rolle. Der 55jährige Beschuldigte aus Espelkamp gehört der Reichsbürger-Szene an. Er soll zudem eine groß angelegte Kampfhundezucht betrieben haben.
Gründung des Spezialeinsatzkommandos
Im September 1972 endete die Geiselnahme der israelischen Mannschaft durch palästinensische Terroristen während der Olympischen Spiele in München mit einem Blutbad und dem Tod aller Geiseln. Aufgrund dieser schockierenden Erfahrung beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und des Bundes im Jahr 1974 das Konzept für den Einsatz von Spezialeinheiten der Länder (SEK) und des Bundes (GSG 9). Zu Beginn wurden SEK ausschließlich zur Terrorbekämpfung eingesetzt.
Die Spezialeinheiten
In Deutschland gibt es verschiedene Spezialeinheiten für unterschiedliche Aufgabenbereiche.
Das Spezialeinsatzkommando (SEK) ist zuständig für Zugriffs- und Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Suizidversuchen und Verfolgung von besonders schweren Straftaten wie Geiselnahme und Erpressung. Die Einsatzkräfte wehren Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit ab.
Die GSG 9 (GSG 9 BPOL) der Bundespolizei (ehemals „Grenzschutzgruppe 9“) wurde aufgrund des misslungenen Polizeieinsatzes bei der Geiselnahme der israelischen Olympiamannschaft 1972 gegründet. Die Spezialeinheit mit Sitz in Sankt Augustin bekämpft Terrorismus und ist zur Geiselbefreiung und Bombenentschärfung im Einsatz.
Die 1995 gegründete Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) ist zuständig für den Bereich Wirtschafts- und Rauschgiftkriminalität. Sie ist dem Zollkriminalamt Köln unterstellt und unterstützt Zollfahndungsbeamte bei riskanten Einsätzen.
Die Observationseinheit Zoll (OEZ) entstand aus einer 1989 beim Zollfahndungsamt Düsseldorf gegründeten Observationsgruppe. Die OEZ ist eine Spezialeinheit der Bundeszollverwaltung und agiert mit akustischer oder optischer Aufklärungstechnik im Bereich der schweren Zollkriminalität. Der Personenschutz gefährdeter Zeugen eines Strafverfahrens gehört ebenfalls zu ihren Aufgaben.
Das Mobile Einsatzkommando (MEK) kommt dann zum Einsatz, wenn Täter mobil sind und nicht feststeht, wo sie festgenommen werden – etwa bei einer Geiselnahme, bei der der Täter den Standort wechselt. Das MEK ist auch für Fahndungen und für zum Teil verdeckte Observationen zuständig.
Die Beratergruppe der Spezialeinheit (BG) ist eine Spezialeinheit der Polizei, die während eines Einsatzes vor allem im Bereich der schweren Gewaltkriminalität zur funktionierenden und zielführenden Kommunikation zwischen Polizei und Tätern eingesetzt wird.
Die Technischen Einsatzgruppen (TEG) sind Aufklärungseinheiten der Spezialeinheiten. Sie arbeiten in den Bereichen der organisierten Kriminalität, Raub, Erpressung, Geiselnahme und Entführung. Zu den Aufgaben der TEG gehören die akustische Aufklärung, Ortung von Standorten, Videoüberwachung sowie Spreng- und Pyrotechnik.
Die Geiselnahme in einem Geldinstitut war 1971 der Auslöser für den Aufbau von Verhandlungsgruppen (VG). Diese polizeilichen Spezialeinheiten gibt es in allen Bundesländern sowie beim Bundeskriminalamt. Die Beamten sind in Gesprächsführung speziell geschult und führen Verhandlungen mit dem Täter. Sie können sich in die möglichen Handlungsweisen des Gegenübers hineinversetzen und somit auch den Einsatzleiter bei der Einschätzung der Lage unterstützen.
SB/WL (28.06.2024)
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