Einer von Hundert beißt an
Entscheidend sind die ersten zwei Sekunden
Die Organisatoren des Enkeltrick-Betrugs agieren von Polen aus. Sie telefonieren mit Prepaid-Handys nach Deutschland und engagieren die „Abholer“, die dann auf Tour durch verschiedene Städte unterwegs sind. In den ersten zwei Sekunden entscheidet es sich, ob das Opfer wirklich glaubt, dass es mit einem Verwandten spricht, weiß Martin Ploch. Die Wahrscheinlichkeit, darauf hereinzufallen, ist größer, je älter man ist: Man hört dann nicht mehr so gut und reagiert auch langsamer und kann sich Sachverhalte nicht mehr so schnell und gut merken.
Jeder Vorwand ist recht, um in die Wohnung zu gelangen
Die Polizei beobachtet beim Trickbetrug neben dem Enkeltrick noch verschiedene andere Methoden. Das Ziel ist in jedem Fall, in die Wohnung der Opfer zu gelangen, um dort Geld, Schmuck oder andere Wertsachen zu stehlen. Die Täter geben sich als Mitarbeiter des Wasserwerks, als Sparkassenmitarbeiter oder als Mitarbeiter eines Teppichgeschäfts aus, bei dem das Opfer früher Kunde war. Auch falsche Polizisten in Zivil sind unterwegs, weiß Martin Ploch: „Sie behaupten, es sei im Haus eingebrochen worden und man müsse kontrollieren, ob etwas in der Wohnung fehle. Der Täter lässt sich dann die Geldverstecke zeigen und er schickt das Opfer unter einem Vorwand in ein anderes Zimmer. Dann nimmt er das Geld an sich und verschwindet oder er sagt, das sei Falschgeld und man müsse das nochmal kontrollieren.“ Eine andere Methode beginnt mit dem Ausspähen von älteren Menschen, die beispielsweise gerade vom Einkauf kommen. Die Täterin – meist handelt es sich um Frauen – trägt ihnen die Einkäufe bis zur Wohnungseingangstür. Dort bittet sie um Zettel und Stift für eine Notiz, die für einen Nachbarn hinterlassen werden soll. In der Küche diktiert sie eine längere Nachricht, da sie angeblich die Brille oder die Kontaktlinsen vergessen habe. Zwischenzeitlich erscheint eine weitere Frau. Sie verstellt den Blick in die übrige Wohnung, indem sie Tücher, Decken oder Laken schwenkt. Eine dritte Person entwendet dann das Diebesgut aus dem Wohn- oder Schlafzimmer.
Erfolgreiche Fahndungsarbeit
Trickbetrüger können nur gefasst werden, wenn die Polizei über deren Vorgehen informiert ist und weiß, wann und wo sie unterwegs sind. Deswegen appelliert Martin Ploch, auch alle versuchten Enkeltrick-Anrufe anzuzeigen. Hier sei die Dunkelziffer sehr hoch. In Hamburg besteht für die Trickbetrüger ein vergleichsweise großes Risiko, gefasst zu werden: „Wir haben hier eine eigene Fahndungseinheit für Trickbetrug. Wenn wir wissen, dass Täter unterwegs sind, dann können wir uns direkt an die Banken wenden. Wir arbeiten auch beispielsweise gut mit der Hamburger Sparkasse (HASPA) zusammen: Deren Mitarbeiter rufen bei uns an, wenn ein älterer Mensch größere Geldbeträge abhebt und ihnen das verdächtig vorkommt. Dann gehen unsere Fahnder in die Sparkasse und sprechen mit den Menschen, damit sie nicht auf den Enkeltrick hereinfallen.“
Was kann ich selbst tun?
Auch wenn überraschende Besucher an der Haus- oder Wohnungstüre sagen, sie kämen von einem Ihrer Angehörigen und zum Beispiel den Namen Ihres Enkels kennen: Seien Sie bei aller Hilfsbereitschaft stets vorsichtig! Wie Sie sich verhalten sollten, das hat das Kommissariat Vorbeugung der Polizei Münster mustergültig zusammengestellt:
- Vergewissern Sie sich vor dem Öffnen der Tür, wer zu Ihnen will: Schauen Sie zuvor durch den Türspion oder aus dem Fenster. Benutzen Sie die Türsprechanlage.
- Öffnen Sie Ihre Tür immer nur mit vorgelegter Türsperre (z. B. Kastenschloss mit Sperrbügel).
- Lassen Sie niemals Fremde in Ihre Wohnung.
- Versuchen Sie, bei unbekannten Besuchern einen Nachbarn hinzu zu bitten oder bestellen Sie den Besucher zu einem späteren Termin, wenn eine Vertrauensperson anwesend ist.
- Nehmen Sie für Ihre Nachbarn nur Lieferungen entgegen, die Ihnen angekündigt wurden.
- Bieten Sie bei einer angeblichen Notlage an, selbst nach Hilfe zu telefonieren oder das Gewünschte (Schreibzeug, Glas Wasser) hinauszureichen. Lassen Sie dabei stets Ihre Tür durch eine Türsperre gesichert.
- Lassen Sie nur Handwerker rein, die Sie selbst bestellt haben oder die von der Hausverwaltung angekündigt wurden.
- Fordern Sie von angeblichen Amtspersonen einen Dienstausweis, prüfen Sie ihn sorgfältig (Druck? Foto? Stempel?) bei gutem Licht. Rufen Sie im Zweifel bei der Behörde an, von der die angebliche Amtsperson kommt. Lassen Sie währenddessen Ihre Tür versperrt. Suchen Sie die Telefonnummer der Behörde selbst heraus.
KL (26.05.2017)
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