Vernachlässigte Kinder
Was die Polizei für sie tun kann
Die Polizei hat immer wieder mit vernachlässigten Kindern zu tun
© CC-Verlag
Hans-Joachim Blume, Kriminaldirektor vom Landeskriminalamt Berlin, leitet das Dezernat 12, zu dem auch Kinderschutzdelikte gehören. Er appelliert an die Bürger, sich bei der Polizei zu melden, wenn sie Vernachlässigungen beobachten.
Wir erfahren Sie von Kindern, die in Gefahr sind, vernachlässigt oder sogar misshandelt werden?
Unsere Aufgabe ist es, Straftaten zu verfolgen. Dafür müssen uns diese zur Anzeige gelangen. Das geschieht auf zwei Wegen: Nachbarn, Verwandte, Bekannte, Lehrer, Erzieher oder Kinderärzte stellen fest, dass ein Kind beispielsweise schlecht ernährt, unzureichend gepflegt oder verhaltensauffällig ist und melden dies der Polizei. Oder wir als Polizei oder die Feuerwehr kommen aus anderen Anlässen in eine Wohnung und finden verwahrloste Kinder vor. Dann werden entsprechende Strafanzeigen geschrieben. Es gibt aber auch die Fälle, in denen sich Kinder am Fenster bemerkbar machen, vielleicht sogar um Hilfe schreien. Die Polizei muss dann manchmal feststellen, dass die Kinder tagelang sich allein überlassen waren. Das sind auch ganz kleine Kinder von ein oder zwei Jahren, auf die die größeren Geschwister aufpassen müssen. Und die Eltern sind nicht auffindbar.
Bis vor wenigen Jahren wurde Kindesvernachlässigung in Berlin fast ausschließlich über polizeiliche Feststellungen zur Anzeige gebracht. Das hat sich aber geändert. Seit ungefähr sieben Jahren erfahren wir genauso oft über Dritte von gefährdeten Kindern. Das ist ein Trend, den ich sehr begrüße.
Warum greifen immer mehr Bürger zum Telefon, um ihre Sorge über ein Kind in ihrem Umfeld zu äußern?
Bei Kindesvernachlässigung gab es schon immer eine große Dunkelziffer. Das hat Berlin, angetrieben durch die Polizei, dazu veranlasst massiv Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Plakate, Bilder in Zeitungen und U-Bahnen machten auf das Problem aufmerksam. Außerdem richtete die Polizei ein rund um die Uhr besetztes Notruftelefon ein, bei dem man sich anonym oder pseudonym melden kann. Dort kann sich jeder Rat holen, fragen, wie Experten die Situation bewerten und anschließend entscheiden, was er tun möchte. Das Telefon wird von der Berliner Bevölkerung sehr gut angenommen. Es gibt so gut wie keine Denunzierungen und die Meldungen haben alle Substanz – wenngleich nicht immer eine Intervention nötig ist.
Hans-Joachim Blume ist Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt Berlin und für Kinderschutzdelikte zuständig
© privat
Was tun Sie, wenn Sie von einer Vernachlässigung erfahren?
Dann muss von uns bewertet werden, ob der Tatbestand erfüllt ist. Eine eindeutige Situation wäre zum Beispiel, wenn eine Wohnung verdreckt ist, keine oder verschimmelte Lebensmittel im Haus sind, die Kinder auf verschmutzten Matratzen schlafen müssen und keine Spielzeuge vorhanden sind. Unterernährte, scheue Kinder, die nicht altersadäquat sprechen können, sind ganz klar Indikatoren für eine Vernachlässigung.
Unserer Arbeit läuft parallel: Auf der einen Seite müssen wir in der Strafsache ermitteln und die Ergebnisse an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Begleitend haben wir aber noch einen präventiven Auftrag. Das heißt, dass wir alle Fälle der Vernachlässigung von Kindern oder der Kindeswohlgefährdung auch an das Jugendamt melden. Dieses muss entsprechende Maßnahmen der Stützung und Hilfe einleiten. Wenn die Kinder akut in Gefahr sind, nachhaltig geschädigt zu werden, schalten wir unmittelbar das zuständige Jugendamt ein. Wenn es mitten in der Nacht ist, führen wir die Kinder dem Kinder- und Jugendnotdienst zu, damit die Jugendämter am nächsten Tag eine Entscheidung treffen können.
Da mussten wir als Polizei ein wenig umdenken, denn hier steht nicht so sehr die Strafverfolgung im Zentrum, die wir natürlich als Polizei formal vorantreiben müssen. Uns geht es vor allem darum, ein Opfer, das sich nicht wehren kann, aus seiner Situation zu befreien.
Weitere Infos zum Thema Extremismus und Gewalt
Grenzüberschreitende Polizeiarbeit in Den Haag
Die Täternetzwerke im Bereich der Organisierten Kriminalität...[mehr erfahren]
Der Einsatz von V-Männern ist umstritten
Können V-Männer den Staat bei der Aufklärung von rechtsextremen...[mehr erfahren]
Linksextremistischer Einfluss auf die Klimabewegung
Seit Entstehung der Protestbewegung Fridays for Future wird dem...[mehr erfahren]
Aussteigerprogramm NRW hilft bei dem Weg aus der rechten Szene
Noch nie haben so viele Rechtsextreme das Aussteigerprogramm des...[mehr erfahren]
Niemand wird als Rechtsradikaler oder Islamist geboren
Wenn Extremisten sich aus ihrer Szene lösen wollen, haben sie oft...[mehr erfahren]
Neues Unterstützungsinstrument für die Polizei
Ob das Aushalten von Beschimpfungen, der Anblick von Tod oder...[mehr erfahren]
Die Gewerkschaft der Polizei legt grundsätzliche Positionen zur...[mehr erfahren]
Beratungsangebote unterstützen betroffene Familien
Zunehmend schließen sich junge Menschen extremistisch islamistischen...[mehr erfahren]
Aktivitäten
Service
Audio Podcasts
Hier finden Sie alle Podcasts
Präventionsvideos
"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". Und gerade mit bewegten Bildern werden wir alle viel leichter erreicht als mit nüchternen Informationsmaterialien, die nur den Verstand ansprechen. Hier finden Sie die Präventionsvideos.
Schützen Sie Ihre Immobilie gegen Einbruch!
Erklärung einschlägiger Präventions-Begriffe
Beliebte Artikel zum Thema Gewalt im Extremismus
Braune Ideologie auf grünem Grund
Sie propagieren ein Leben abseits der Gesellschaft inmitten der...[mehr erfahren]
Wie Nazis das Thema sexueller Missbrauch für ihre Zwecke nutzen
Personen mit rechtsextremistischer Einstellung erkennt man nicht...[mehr erfahren]
Aussteigerprogramm „Exit“ hilft Ex-Rechtsradikalen beim Neuanfang
Gabriel L. bewegte sich 13 Jahre in rechtsextremen Kreisen und war...[mehr erfahren]